Beispiel für die Herausarbeitung der Konfliktentwicklung in einer Dramenszene: Nathan, II,5 (Mat871)

Worum es hier geht:

Auf der Seite:
https://schnell-durchblicken.de/analyse-ausgangssituation-szene-2-5-lessing-nathan-freundschaft-nathan-tempelherr
haben wir den ersten Teil einer Szenenanalyse beschrieben.
Nämlich die Klärung der Voraussetzungen.

Hier präsentieren wir den zweiten Teil einer Szenenanalyse, nämlich die Weiterentwicklung des Konflikts in der zu analysierenden Szene – von KA = Konfliktausgangsstand zu KE = Konfliktendstand.

Den Text der Szene kann man u.a. hier finden.
Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 250-254.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20005262402

Dazu gibt es inzwischen auch ein Video:

Dokumentation:
Ein paar Grund-Informationen:
  1. Das Besondere der Analyse einer Dramenszene:
    Es geht um einen Konflikt
  2. Dementsprechend: Analyse = Beschreibung, was sich in dem Konflikt verändert
  3. Einstieg: Voraussetzungen = Ausgangsstand des Konflikts = Ka
  4. Dann Einteilung des Szenenablaufs in “Konflikt-Entwicklungs-Schritte”
  5. Am Ende dann Beschreibung des End-Standes des Konflikts = Ke

    So einfach kann es sein.Natürlich geht es hier erst mal nur um den Inhalt.Auf weitere Dinge wie
    1.Figurenkonstellation
    2.Sprache, bsd. rhetorische Mittel
    3.Intention, also Aussage
    gehen wir in eigenen Videos ein.
Der Ausgangsstand:
  1. Der Tempelherr hat zwar Recha, die Tochter Nathans, gerettet, will aber mit ihr und ihrer Familie nichts zu tun haben: religiöse und moralische Vorbehalte (”falsche” Religion u. Geld-Vorurteile
  2. Recha verehrt ihren Retter als “Engel”, Nathan möchte eine Begegnung von Mensch zu Mensch erreichen
  3. Der Tempelherr kennt Nathan noch nicht, dieser möchte das für eine erste Begegnung nutzen
  4. Die anderen Konflikte (Derwisch-Sultan-Geld) und Krieg (Spionage-Antrag des Pat.) erst mal keine Rolle
Schaubild der Entwicklung des Konflikts:
Beschreibung der Konflikt-Entwicklung
1. Beginn mit einer positiven Einschätzung des Tempelherrn durch Nathan
  • 1191ff: „Fast scheu ich mich des Sonderlings. Fast macht mich seine raue Tugend stutzen … Ich mag ihn wohl.“
2+3: Dann zwei eher negative Schritte
  • Nathan verhält sich bei der ersten Annäherung sehr unterwürfig.
  • Der Tempelherr reagiert wiederum sehr kurz angebunden, wie in I,6 bei Daja.
  • Auch zeigt sich der Tempelherr regelrecht genervt
  • und scheut nicht vor abschätzigen Bemerkungen zurück.
4: positive Interpretation Nathans
  • Er sieht beim Tempelherrn eine „bescheidene Größe“ (1222), die die Ablehnung erklärt.
5: Kombination von Beleidigung und erstem Zugeständnis durch den Th
  • Der reiche Jude ist für ihn nicht der bessere Jude (vgl. 1232)
  • Sagt dann aber doch „Nun gut“, was den Mantel angeht
  • Und er interessiert sich für Nathans Innenleben: Er soll nicht so „finster“ (1240) dreinschauen.
6: erneute positive Interpretation -> Verwirrung beim Th
  • Der Fleck vom Brand ist für Nathan ein „bessres Zeugnis“, um was für einen Menschen es sich beim Tempelherrn handelt.
  • Der Tempelherr wiederum gibt zu, dass Nathan ihn „verwirren“ (ca. 1254) kann.
7: Zwei Schritte des Th in Richtung Nathans
  • Nathan argumentiere „sehr spitz“, also intelligent.
  • Und er interessiert sich für seinen Namen.
8: Weiteres Zugeständnis und erneute pos. Interpretion von N
  • „Ich muss gestehen“ – dass Nathan ihn versteht.
  • Nathan unterstützt dass, indem er davon ausgeht, dass der Tempelherr sich nur „verstellt“.
9: Nathans Angebot einer gemeinsamen Basis
  • ca. 1272: Die Idee des „guten Menschen“, die alle verbinden kann
10+11: Letzter Einwand des Th
  • Gerade die Juden hätten doch sich als „auserwähltes“ Volk Gottes geführt,
  • was die Kreuzzüge erkläre, nachdem die Christen und die Muslime die Idee übernommen hätten
12: spontanes Angebot Nathans und Annahme durch Th
  • ca. 1305
    Nathan.       Ha! Ihr wisst nicht, wie viel fester
    Ich nun mich an Euch drängen werde. – Kommt,
    Wir müssen, müssen Freunde sein! – Verachtet
    Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide
    Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind
    Wir unser Volk? Was heißt denn Volk?
    Sind Christ und Jude eher Christ und Jude,
    Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch
    Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch
    Zu heißen!Tempelherr.       Ja, bei Gott, das habt Ihr, Nathan!
    Das habt Ihr! – Eure Hand! – Ich schäme mich,
    Euch einen Augenblick verkannt zu haben.

13: gemeinsame  Sorge um Recha zeigt deutlich den Unterschied zu früher, wo der Th sich sehr abschätzig über „Das Leben einer Jüdin“ (ca. 1218) geäußert hat.

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Themenseite: „Nathan “
https://textaussage.de/nathan-der-weise-infos-materialien