Beispiel-Lösung der Klausur: Kleist, „Der zerbrochene Krug“, Anfang Szene 12 (Variant-Fassung) (Mat7447-loe)

Die Klausur ist hier zu finden:
https://schnell-durchblicken.de/klausur-kleist-der-zerbrochene-krug-anfang-szene-12-variant-fassung

Hier nun ein Beispiel für eine ausformulierte Lösung:

1. Einleitung

Der folgende Textauszug stammt aus Heinrich von Kleists Lustspiel Der zerbrochene Krug und gehört zum 12. Auftritt in der Variant-Fassung. In dieser Szene erreicht die Handlung einen entscheidenden Wendepunkt: Eve versucht verzweifelt, Ruprecht vor der Einberufung ins Militär zu retten, während Richter Adam als Betrüger entlarvt wird. Die Szene ist besonders spannend, weil sich die Dramatik immer weiter steigert und schließlich zur Enthüllung der Wahrheit führt.

2. Voraussetzungen und dramatische Entwicklung vorher

Vor dieser Szene hat sich bereits viel Spannung aufgebaut. Eve ist in einer schwierigen Lage: Sie wird verdächtigt, mit einem anderen Mann in der Nacht gewesen zu sein, und Ruprecht ist deshalb eifersüchtig. Adam, der eigentliche Schuldige, versuchte seine eigene Tat zu vertuschen und nutzt seine Macht als Richter aus. Der Streit um den zerbrochenen Krug symbolisiert dabei das zerstörte Vertrauen zwischen den Figuren.

Ein weiteres Problem ist, dass Ruprecht möglicherweise zum Militärdienst eingezogen wird. Adam spielt mit dieser Angst und nutzt sie, um Eve unter Druck zu setzen. Genau das eskaliert nun in der gegenwärtigen Szene.

3. Die Entwicklung der Dramatik in der Szene

Die Szene beginnt mit Ruprechts Entschuldigung bei Eve (Z. 4–8). Dies ist ein überraschender Moment, da er zuvor sehr misstrauisch und wütend war. Doch direkt danach (Z. 9–12) steigt die Spannung wieder an: Eve wirft sich Walter, dem Gerichtsrat, zu Füßen und bittet ihn um Hilfe.

In den Zeilen 13–20 enthüllt sie ein großes Geheimnis: Adam hat ihr gesagt, dass Ruprecht nach Ostindien geschickt werden soll und dass dort nur wenige Männer überleben. Das ist eine schockierende Wendung, weil es für Ruprecht eine lebensbedrohliche Situation bedeutet. Walter ist überrascht und zweifelt an dieser Aussage (Z. 21–29), wodurch die Unsicherheit noch größer wird.

Der Höhepunkt der Szene folgt in den Zeilen 30–43: Walter überprüft den Brief und erkennt, dass er eine Fälschung ist. Schreiber Licht bestätigte das und entlarvte Adam als Betrüger. Dies ist der dramatische Wendepunkt, denn nun ist klar, dass Adam nicht nur ein korrupter Richter, sondern auch ein Manipulator ist.

In den Zeilen 44–50 bietet Walter schließlich an, Ruprecht freizukaufen, falls die Behauptung stimmen sollte. Dadurch löst sich die größte Bedrohung auf. Eve erkennt jetzt, dass Adam sie angelogen hat (Z. 51–60), und enthüllt, dass er ihr nachts ein falsches Attest aufdrängen wollte – und dabei offenbar Unanständiges von ihr verlangte. Dies ist ein schwerer Vorwurf und sorgt für große Empörung.

Am Ende der Szene (Z. 61–70) kommt es zur Versöhnung zwischen Ruprecht und Eve. Sie küssen sich, und Veit, Ruprechts Vater, schlägt eine baldige Hochzeit vor. Dadurch bekommt die Szene eine Art „Happy End“, was typisch für ein Lustspiel ist.

4. Aussagen der Szene

Die Szene macht deutlich, dass Adam seine Macht missbraucht und skrupellos ist. Sie zeigt auch, wie sehr Eve und Ruprecht unter den gesellschaftlichen Strukturen leiden. Eve wird als junge Frau besonders unter Druck gesetzt und hat kaum eine Möglichkeit, sich zu wehren – außer, indem sie sich an eine höhere Autorität wie Walter wendet.

Außerdem wird kritisiert, wie unfair das Rechtssystem ist: Ein Richter, der eigentlich für Gerechtigkeit sorgen soll, nutzt seine Stellung für seine eigenen Interessen. Gleichzeitig gibt es aber auch Hoffnung, denn Walter setzt sich für Gerechtigkeit ein.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Ruprecht sieht Eve zunächst als Schuldige und entschuldigt sich erst spät. Dennoch zeigt die Versöhnung am Ende, dass Liebe und Vertrauen wie bewahrt werden können.

5. Sprachliche und rhetorische Mittel

Kleist nutzt viele sprachliche Mittel, um die Dramatik zu steigern.

  • Rhetorische Fragen und Ausrufe : Diese sorgen für Spannung und zeigen die Emotionen der Figuren, z. B. „War! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen?“ (Z. 22) oder „Himmel! Wie belog der Böswicht mich!“ (Z. 51).
  • Symbolik : Der zerbrochene Krug steht für das zerstörte Vertrauen zwischen Ruprecht und Eve. Auch Adam als „zerbrochene“ Autorität kann darin gesehen werden.
  • Ironie : Besonders in Ruprechts Kommentar zum Krug (Z. 64–66), wo er andeutet, dass er eifersüchtig wäre, selbst wenn ein Pferd den Krug zerbrochen hätte. Das zeigt seinen impulsiven Charakter.
  • Gegensätze : Adam als Betrüger steht im Kontrast zu Walter, der für Gerechtigkeit sorgt. Eve, die als Opfer erscheint, wird schließlich zur mutigen Aufdeckerin der Wahrheit.

6. Eves Rolle und die Frauenbilder um 1800

Eve entspricht in Teilen dem Frauenbild des frühen 19. Jahrhunderts: Sie ist abhängig von den Männern um sie herum und hat wenig Handlungsspielraum. Dass sie sich vor Walter auf die Knie wirft (Z. 9), zeigt ihre Hilflosigkeit. Gleichzeitig beweist sie aber Mut, indem sie Adam öffentlich entlarvt (Z. 24–28).

Damit steht sie zwischen Tradition und Aufbruch: Einerseits ist sie eine typische „leidende Unschuld“, andererseits zeigt sie Eigeninitiative und Intelligenz. Das Drama macht damit deutlich, wie eingeschränkt Frauen damals waren, aber auch, dass sie sich wehren konnten – wenn sie den Mut dazu fand.

7. Fazit

Diese Szene ist ein zentraler Moment im Drama, weil hier die Wahrheit über Adam ans Licht kommt. Die Spannung wird durch die Enthüllungen und Wendungen immer weiter gesteigert, bis Adam schließlich als Betrüger entlarvt wird. Gleichzeitig zeigt sich, wie schwer es für Frauen wie Eve war, sich gegen Männer wie Adam zu behaupten. Die Szene endet mit einer Versöhnung, die zum humorvollen und versöhnlichen Charakter des Lustspiels passt.

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