Senkung der Arbeitsmoral – wieso eine Anekdote?
- Bölls „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ ist ein äußerst interessanter und lehrreicher Text. Schließlich zeigt er an einem kurzen Zusammentreffen zwischen zwei Menschen, wie unterschiedlich man über „Arbeit“ zur Sicherung des Lebensunterhaltes umgehen kann.
- Auf den Inhalt und die Aussage sind wir auf der folgenden Seite eingegangen:
https://www.endlich-durchblick.de/die-besten-kurzgeschichten-kurz-vorgestellt/b%C3%B6ll-heinrich-anekdote-zur-senkung-der-arbeitsmoral/ - Die Frage, inwieweit es sich um eine Kurzgeschichte handelt, wird hier geklärt:
https://schnell-durchblicken.de/boell-anekdote-zur-senkung-der-arbeitsmoral-eine-kurzgeschichte-oder-was - Hier wollen wir uns der Frage zuwenden, die mit dem Titel gegeben ist.
- Inwiefern handelt es sich um eine Anekdote?
Das ist immer wie die Frage: Wie kann man überhaupt darauf kommen, dass es eine ist. - Inwieweit handelt es sich um eine Anekdote
Damit ist gemeint, in welchem Ausmaß ist es eine Anekdote, zu 100% oder vielleicht nur ansatzweise?
Definition „Anekdote“
- Um das zu klären, muss man immer erst mal von einer Definition des Begriffs ausgehen.
Weil Schüler völlig zu Recht neben dem Schulbuch auf Wikipedia zugreifen, schauen wir uns die dort gegebene Definition mal an (Stand: 31.3.2021 – also ggf. auf neuere Fassungen zurückgreifen).
— - „Eine Anekdote […] ist eine
- kurze,
[Ist gegeben, gilt aber auch für Kurzgeschichten, siehe den Hinweis weiter oben] - oft geistreiche
[Ist gegeben, „geistreich“ heißt hier soviel wie: den Stoff zum Nachdenken enthaltend] - oder witzige Schilderung
[Witzig ist die Geschichte schon, weil der Fischer sich ja sehr klug zeigt, was eine alte Definition von „Witz“ ist, vgl. Jemand hat „Mutterwitz“.
Zugleich kann man über die Geschichte auch schmunzeln, wie ein scheinbar Unterlegener am Ende siegt.] - einer bemerkenswerten
[Bemerkenswert ist die Geschichte auf jeden Fall, sonst würde man sie nicht heute noch im Unterricht behandeln ;-)] - oder charakteristischen Begebenheit,
[Als charakteristisch kann die Begebenheit bezeichnet werden, weil es ja nicht um diese zwei Personen geht, die ja real so auch gar nicht in einer fiktiven Welt existieren – sondern sie und ihre Haltungen stehen für unterschiedliche und damit charakteristische Grundeinstellungen von Menschen.] - meist im Leben einer Person.
[Das gilt hier nur eingeschränkt, weil damit häufig bekannte Personen gemeint sind – oder solche, die als Personen durch die Geschichte charakterisiert werden. Bezeichnenderweise haben diese beiden Menschen ja auch keinen Namen in der Geschichte.] - Die drei wichtigsten Merkmale der Anekdote sind
- die scharfe Charakterisierung einer oder auch mehrerer Personen,
[Ist gegeben, hier stehen sich zwei Personen mit ihren Haltungen scharf konturiert gegenüber.] - die Reduktion auf das Wesentliche
[Ist gegeben, kann man ausprobieren, ob man die Geschichte sinnvoll ausweiten kann.] - und die Pointe.“
[Ist gegeben. Man ist ja gespannt, wie die Geschichte ausgeht – und dann mehr oder weniger überrascht.]
Zum Vergleich: Kennzeichen aus dem „Schülerduden“
Vergleichen wir das noch kurz mit dem „Schülderduden. Die Literatur“ (allerdings in einer Ausgabe von 1980, was aber in der Schule kein Problem ist – denn Schüler greifen ja auch auf das zurück, was sie in der Bibliothek der Familie vorfinden 😉
Dort werden folgende Kennzeichen benannt:
- „Heute eine
- knappe,
- oft heitere
- oder witzige
- Prosaerzählung,
- in der
- eine bekannte Person,
- eine denkwürdiger Begebenheit,
- eine Gesellschaftsschicht
- oder ein Menschentyp
- in einer charakteristischen Besonderheit
- blitzartig beleuchtet wird.
- Der Verfasser
- ist um Objektivität der Darstellung bemüht.
- Er lässt die mitgeteilte Episode,
- die meist nur als möglich vorstellbar
- und nicht auch historisch belegbar ist,
- am Schluss in einer Pointe gipfeln,
- d.h. in einer überraschenden Wendung der Handlung
- oder in einer in der gegebenen Situation nicht erwarteten Äußerung einer Person,
- wodurch verborgene Zusammenhänge deutlich werden.“
—
Die unterschiedlichen „Akzente“
Diese Definition ist im wesentlichen identisch mit der aus Wikipedia, setzt aber noch die folgenden Akzente:
- „eine Gesellschaftsschicht“, „ein Menschentyp“, das passt hier besonders gut.
- „blitzartig“ = überraschend, knapp
- um Objektivität bemüht, nicht ausmalend
- nur möglich, nicht historisch belegbar = spielt hier keine Rolle, da eher auch Kurzgeschichte
- genauere Ausführungen zur Pointe, hier besonders gut im Hinblick auf die Äußerung des Fischers passend.
Fazit
- Insgesamt kann man sagen, dass es eine Anekdote ist, weil am Beispiel eines Menschen etwas Besonderes gezeigt wird.
- Das Besondere ist hier, dass es sich nicht um eine Berühmtheit handelt, sondern ein ganz einfacher Mensch etwas Wichtiges deutlich macht.
- Im Einzelnen könnte man aufführen:
- Der Text ist kurz und bringt seine Botschaft auf den Punkt.
- Die beiden gegensätzlichen Figuren werden sehr gut charakterisiert.
- Am Ende hat man eine Pointe, die die Aussage unterstreicht.
- Es geht um ein lebensnahes Thema, über das jeder nachdenken kann und sollte.
- Verbunden ist das mit einer entsprechenden Botschaft.
- Die Geschichte hat natürlich auch einen gewissen Unterhaltungswert.
- Noch einmal: Es geht hier nicht um eine berühmte Persönlichkeit, aber Böll hat es eben geschafft, auch einen einfachen Menschen gewissermaßen berühmt zu machen – auch wenn es sich nur um eine fiktive Gestalt handelt – aber das gilt für viele berühmte Figuren der Literatur ja auch.
Hier gibt es eine Sammlung von Schriftsteller-Anekdoten.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Anekdoten Themenseite
https://textaussage.de/thema-anekdote-infos-tipps-und-materialien-themenseite
- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
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