Die literarische Epoche des „Sturm und Drang“
- Die erste beschäftigt sich mit dem „Sturm“ der Gefühle in der Zeit des Sturm und Drang. Dabei wird auf Goethes Liebesgedicht „Willkommen und Abschied“ eingegangen, außerdem auf das „Mailied“ und schließlich noch auf den berühmten Brief vom 10. Mai aus dem Roman „Die Leiden des jungen Werther.
- Die zweite Datei geht dann auf die „Drang“ ein, die Dinge verändern zu wollen. Dabei steht zunächst „Prometheus“ und seine Kritik des Obergottes Zeus im Mittelpunkt. Es wird auch darauf verwiesen, dass Goethe neben diesem Gedicht im Drama „Faust“ eine Gestalt geschaffen hat, die ebenfalls radikal einen eigenen Weg gegen will. Schließlich wird noch auf den Geniekult des Sturm und Drang verwiesen, der sich schon bei dem Aufklärer Lessing zeigt.
- Die dritte Datei zeigt dann am Beispiel eines Gedichtes von Stolberg, wie man zur höfischen Kultur der Zeit steht und wie sehr man ihr den Begriff von Freiheit entgegenstellt. Außerdem wird am Beispiel des Gedichtes „Der Bauer“ gezeigt, wie auch in diesem unterdrückten Stand sich revolutionärer Geist sammelt. Er hat sich dann ja in der Französischen Revolution 1789 Bahn gebrochen.
2.) BEGRIFF und KENNZEICHEN: : Die Bezeichnung „Sturm und Drang“ stammt von einem gleichnamigen Schauspiel Maximilian Klingers.
Ein Kennzeichen der Epoche wird an dem ebenfalls für sie verwendeten Begriff „Genie-zeit“ deutlich: die Überordnung des Genies über den kritischen Kopf. Sie wurde verfochten von der antiaufklärerischen Welle der „Originalgenies“. Deutlich wird das am Sprachwandel von „Genie haben“ (Aufklärung) zu „Genie sein“.
- Typisch ist dementsprechend das Selbstbewusstsein des Einzelnen, die Hervorkehrung der Individualität.
- Ein weiterer Punkt ist die Aufwertung des irrationalen Bereichs. Dem bis dahin herr-schenden Verstand werden Herz, Gefühl, Ahnung und Trieb gegenübergestellt.
- Mit dem Glauben an den Kulturfortschritt wird gebrochen. Dafür vergöttlicht man die Natur. Dem gebildeten Kulturmenschen wird der Naturmensch als etwas Höheres gegen-übergestellt. Dementsprechend sympathisiert man mit unschuldigen Kindern, einfachen Frauen, der Landbevölkerung, mit den ersten Menschen, den alten Germanen.
- Neben dem natürlichen Menschen erstreben die Dichter des Sturm und Drang die natürli-che Gesellschaftsordnung. Man sucht im Absolutismus zumindest künstlerische Lösun-gen der gesellschaftlichen und politischen Probleme.
- Neu ist das Verhältnis zur Geschichte und zu geschichtlichen Urkunden. Man bricht mit der Tradition und sucht seinen eigenen Zugang. So verwirft man folgerichtig den christ-lichen Dogmatismus und vertritt eher eine pantheistische Religion.
- Kennzeichnend für den Sturm und Drang ist auch sein nationaler Zug. Es gibt für ihn kein klassisches Muster mehr. Das Ausland wirkt weniger als nachzuahmendes Muster als als gedanklicher und formaler Anreger.
5.) Die erzählende Dichtung spielt eine völlig untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme ist Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther„, der mit seiner äußersten Subjektivierung ganz Europa begeistert und eine regelrechte Wertherwelle („Wertherisme“) hervorruft.
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Frühere Fassung
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft es, ich verdient es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden.
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Typisch für den „Sturm und Drang“
- Gefühlsintensität: Leidenschaftliche Emotionen wie Liebe, Freude, Schmerz und Abschiedsschmerz stehen im Mittelpunkt.
- Naturverbundenheit: Die Natur wird lebendig und symbolisch beschrieben, etwa durch Personifikationen wie die „getürmte Eiche“
-
Rebellion gegen Konventionen: Die heimliche Liebe und der nächtliche Ritt zeigen die Auflehnung gegen gesellschaftliche Zwänge.
- Subjektivität: Das lyrische Ich betont seine individuellen Empfindungen und Erlebnisse
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb, o Liebe,
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft.
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Typisch für den „Sturm und Drang“
- Naturverehrung: Die Natur wird enthusiastisch und idealisiert beschrieben, als Spiegel der Gefühle des lyrischen Ichs.
- Gefühlsbetonung: Das Gedicht drückt intensive Emotionen wie Freude, Liebe und Lebenslust aus.
- Subjektivität: Das Individuum und seine Empfindungen stehen im Mittelpunkt, erkennbar durch die Ich-Perspektive.
- Spontane Sprache: Stilmittel wie Enjambements und Ausrufe vermitteln eine unmittelbare, lebendige Ausdrucksweise
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte,
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch Götter.
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus, wo ein,
Kehrte mein verirrtes Aug
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir wider
Der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du’s nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest, jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herren und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehn,
Weil nicht alle Knabenmorgen-
Blütenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, weinen,
Genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich.
Typisch für den „Sturm und Drang“
- Rebellion gegen Autoritäten: Prometheus lehnt sich gegen Zeus und die göttliche Herrschaft auf, was die Ablehnung von Fremdbestimmung und absolutistischer Autorität symbolisiert.
- Betonung des Genies: Das lyrische Ich wird als schöpferisches, selbstbestimmtes Individuum dargestellt, das sich über Konventionen erhebt
- Gefühlsbetonte Sprache: Die leidenschaftliche, pathetische Ausdrucksweise und freie Form des Gedichts unterstreichen die Emotionalität und Individualität der Epoche
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg
Die Freiheit
Freiheit! Der Höfling kennt den Gedanken nicht!
Der Sklave! Ketten rasseln ihm Silberton!
Gebeugt das Knie, gebeugt die Seele,
Reicht er dem Joch den erschlafften Nacken!
Uns, uns ein hoher seelenverklärender
Gedanke! Freiheit! Freiheit! wir fühlen dich!
Du Wort, du Kraft, du Lohn von Gott uns!
O! wo noch voller ins Herz der Helden
Dein Nektar strömte, jener, an deren Grab
Nachwelten staunen; ström‘! o entflamm‘ uns ganz!
Denn sieh‘, in deutscher Sklaven Händen
Rostet der Stahl, ist entnervt die Harfe!
Nur Freiheitsharf‘ ist Harfe des Vaterlands!
Wer Freiheitsharfe schlägt, ist wie Nachtorkan
Vor Donnerwettern! Donnre! Schlachtruf!
Schwerter, fliegt auf, dem Gesandten Gottes!
Nur Freiheitsschwert ist Schwert für das Vaterland!
Wer Freiheitsschwert hebt, flammt durch das Schlachtgewühl,
Wie Blitz des Nachtsturms! Stürzt, Paläste!
Stürze, Tyrann, dem Verderber Gottes!
O Namen! Namen! festlich, wie Siegsgesang!
Tell! Hermann! Klopstock! Brutus! Timoleon!
O ihr, wem freie Seele Gott gab,
Flammend ins eherne Herz gegraben!
Typisch für den „Sturm und Drang“
- Freiheit als Leitmotiv: Es thematisiert die persönliche und gesellschaftliche Freiheit, ein zentrales Anliegen des Sturm und Drang
- Emotionale Sprache: Die leidenschaftliche und ausdrucksstarke Sprache betont Gefühle und Individualität
- Kritik an Autoritäten: Das Gedicht lehnt die feudale Ordnung ab und fordert Selbstbestimmung, was die Rebellion gegen bestehende Normen widerspiegelt
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zerschlagen darf dein Roß?
Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch
Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
Darf Klau‘ und Rachen haun?
Wer bist du, daß, durch Saat und Forst,
Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
Entatmet, wie das Wild? –
Die Saat, so deine Jagd zertritt,
Was Roß, und Hund, und du verschlingst,
Das Brot, du Fürst, ist mein.
Du Fürst hast nicht, bei Egg und Pflug,
Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot! –
Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus; du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!
Typisch für den „Sturm und Drang“
- Kritik an Autoritäten: Es prangert die absolutistische Willkürherrschaft und die Ausbeutung der Bauern durch Adlige an.
- Betonung des Individuums: Der Bauer fordert seine Rechte ein und stellt die göttliche Legitimation der Herrschaft infrageEmotionale Sprache: Kraftvolle, ausdrucksstarke Worte wie „zerschlagen“ und „verschlingst“ spiegeln die Wut und den Widerstand wider
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Themenseite – Sturm und Drang – endlich Durchblick
https://textaussage.de/endlich-durchblick-literaturepoche-sturm-und-drang
— - „Sturm und Drang“ – Sammlung interessanter Gedichte (nach Autoren)
vor allem im Hinblick auf Klassenarbeiten und Klausuren interessant:
https://textaussage.de/sammlung-gedichte-des-sturm-und-drang
— - Gedichte des „Sturm und Drang“ – nach Themen geordnet
https://schnell-durchblicken.de/gedichte-des-sturm-und-drang-nach-themen-geordnet
—
- Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos