Eichendorff, „Heimweh“ (Wer in die Fremde …) (Mat8592-1)

Worum es hier geht:

Von Joseph von Eichendorff gibt es zwei Gedichte mit dem Titel „Heimweh“.

Das zweite haben wir auf der folgenden Seite vorgestellt:
https://schnell-durchblicken.de/eichendorff-heimweh-an-meinen-bruder

Joseph von Eichendorff

Heimweh

  1. Wer in die Fremde will wandern,
    x X  x   X       x   x     X   x
  2. Der muß mit der Liebsten gehn,
    x X     x     x   X    x      X
    und in diesem ineinheitlichen Rhythmusstil geht es weiter.
  3. Es jubeln und lassen die andern
  4. Den Fremden alleine stehn.
    • Die erste Strophe präsentiert einen Ratschlag,
    • Der einen auffordert, beim Wandern in Richtung „Fremde“
    • „mit der Liebsten“ zu gehen, sie also mitzunehmen.
    • Das hält man normalerweise für eine Selbstverständlichkeit,
    • Aber es kommt noch schlimmer, denn als Begründung wird nur angegeben,
    • Dass man ansonsten in der Fremde allein ist – und in das Jubeln, die Freude der Menschen dort nicht einbezogen wird.
  5. Was wisset ihr, dunkele Wipfel,
  6. Von der alten, schönen Zeit?
  7. Ach, die Heimat hinter den Gipfeln,
  8. Wie liegt sie von hier so weit!
    • Die zweite Strophe beschäftigt sich nicht mehr mit der Liebsten,
    • langsam wird man misstrauisch, wer damit gemeint ist.
    • Zumal mit der „Heimat“ auch ein zweites Femininum passt.
    • Hier ist es natürlich hilfreich, wenn man das Gedicht schon überflogen hat.
    • Denn am Ende ist von Deutschland die Rede.
    • Das würde dann bedeuten, dass es nicht um eine Frau geht, sondern um „die Heimat“.
    • Man ist gespannt, wie das Problem gelöst wird, dass man Deutschland mitnimmt und dann von den Fremden nicht mehr allein gelassen wird.
    • Oder soll man mit Deutschland dann irgendwie in der Ecke stehen – wie früher die sogenannten „Mauerblümchen“, junge Frauen, die beim Tanz nicht aufgefordert wurden.
  9. Am liebsten betracht ich die Sterne,
  10. Die schienen, wie ich ging zu ihr,
  11. Die Nachtigall hör ich so gerne,
  12. Sie sang vor der Liebsten Tür.
    • In dieser Strophe wendet sich dann wieder das Blatt in Richtung Liebesbeziehung.
    • Das lyrische Ich nutzt die Sterne und den Gesang der Nachtigall, um sich an die gemeinsame Zeit mit der „Liebsten“ zu erinnern.
    • Die Heimat-Variante scheint vom Tisch.
  13. Der Morgen, das ist meine Freude!
  14. Da steig ich in stiller Stund
  15. Auf den höchsten Berg in die Weite,
  16. Grüß dich, Deutschland, aus Herzensgrund!
    • Am Ende dann wieder nur das Thema „Heimat“.
    • Jetzt ist man völlig irritiert.
    • Das Gedicht scheint kein klares Konzept zu haben.
    • Am Anfang ein seltsames Verständnis von Beziehung,
    • Dann plötzlich der Wechsel in Richtung Heimat.
    • Dann wieder Erinnerung an eine wohl reale Liebste.
    • Am Ende keine Rede davon – sondern Deutschland.

Halten wir fest, dass das lyrische Ich hier anscheinend einfach Gedanken und Gefühle von sich gibt, ohne dass die in einem erkennbaren Zusammenhang stehen.

Machen wir es uns einfach: Auch so etwas sei einem Dichter erlaubt.

Vielleicht gibt es ja einen Interpreten, der noch irgendwelche Hintergründe kennt – für die Schule sind solche Gedichte ohne erkennbare zentrale Intentionalität nicht geeignet.

Nachtrag:

Natürlich ist es uns wieder passiert. Wir waren so mit dem Inhalt beschäftigt, dass wir die Überschrift nicht mehr berücksichtigt haben.

Da geht es um „Heimweh“ – und das bezieht sich am ehesten auf Deutschland – und dazu gehört anscheinend auch eine „Liebste“, die aber tatsächlich keine große Rolle mehr spielt.

Also am Ende nur eine leichte Akzentverschiebung – ein wirklich gutes Gedicht mit klaren Aussagen ist es dadurch nicht geworden.

Wenn man ein Handbuch mit den Gedichten Eichendorffs hinzunimmt:
Joseph von Eichendorff, Sämtliche Gedichte, Herausgegeben Von Hartwig Schultz, Deutscher Klassiker Verlag, 2. Auflage, 2006, S. 745ff – ISBN: 978-3-618-68012-3,

dann wird dort deutlich, dass diese Gedicht in die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ gehört. Ein Posthorn erweckt beim Protagonisten tatsächlich „Heimweh“. Das soll von einem Handwerksburschen gesungen worden sein.

Damit steht das Gedicht wieder für sich – mit den Problemen, die oben angesprochen worden sind.

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