Georg Heym, „Die Nacht“ – Variante „Auf Schlangenhälsen“ (Mat2014)

Worum es hier geht:

Präsentiert wird eins von zwei Gedichten Georg Heyms mit der Überschrift „Nacht“.
Die andere Variante haben wir hier vorgestellt:
https://schnell-durchblicken.de/georg-heym-die-nacht-alle-flammen-starben
In ihm findet sich eine für den Expressionismus typische negative Sicht auf die Welt der Stadt. Die wird verbunden mit Anspielungen auf Untergang, Verzweiflung und Tod.

Bei diesem Gedicht hat man besonders den Eindruck, der für viele Gedichte des Expressionismus gilt: Es sagt mehr aus über die inneren Fantasien des Dichters als über irgendeine Realität. Die ist wohl eher Anlass als Gegenstand nachvollziehbarer Betrachtung.

Georg Heym,

Die Nacht

01    Auf Schlangenhälsen die feurigen Sterne
02    hängen herunter auf schwankende Türme,
03    die Dächer gegeißelt. Und Feuer springet,
04    wie ein Gespenst durch die Gasse der Stürme.

05    Fenster schlagen mit Macht. Und die Mauern, die alten,
06    reißen die Tore auf in zahnlosem Munde.
07    Aber die Brücken fallen über dem Schlunde
08    und der Tod stehet draußen, der Alte.

09    Aber die Menschen rennen, ohne zu wissen
10    blind und schreiend, mit Schwertern und Lanzen.
11    Unten hallet es dumpf, und die Glocken tanzen,
12    schlagend laut auf, von den Winden gerissen.

13    Die Plätze sind rot und tot. Und riesige Monde
14    steigen über die Dächer mit steifen Beinen
15    den fiebernden Schläfern tief in die Kammer zu scheinen,
16    und die Stirne wird fahl wie frierendes Leinen.

Anmerkungen zu Strophe 1:
  1. Es beginnt mit einer typisch expressionistischen, also eigenwilligen, bildstarken Beschreibung eines Naturelements, das dann sofort auf den menschlichen Bereich übertragen wird.
  2. Dies endet im negativen Eindruck einer Geißelung der Dächer, also der Behausungen der Menschen. Von denen ist das dann nicht mehr weit entfernt, eindeutig eine Bedrohung.
  3. Das setzt sich dann fort mit der Vorstellung eines Feuerbrandes.
Anmerkungen zu Strophe 2:
  1. Die zweite Strophe präsentiert dann den Verfall der Welt des Menschen – am schlimmsten steht es um die Brücken – und den Schluss bildet eine Personifizierung des Todes, der in der Apposition noch zu etwas Bekanntem wird.
Anmerkungen zu Strophe 3:
  1. Die dritte Strophe wechselt dann die Perspektive auf die bedrohten Menschen, die zwar weglaufen, aber nichts begreifen.
  2. Man hat den Eindruck des Chaos und der Verwüstung – die Glocken, das Alarmmittel früherer Zeiten, funktioniert nicht mehr.
Anmerkungen zu Strophe 4:
  1. Die letzte Strophe beschreibt dann die Folgen, nämlich Blut und Tod.
  2. Am Ende steht dann wieder ein Natureindruck, der genutzt wird, um noch mehr Leid und Vernichtung anzukündigen.
  3. Den Schluss bildet dann das Vorzeichen des Todes, nämlich die Bleichheit.
Zusammenfassung:

Insgesamt ein Gedicht, das die Bedrohung einer Menschenwelt zeigt, die schon reif war für den Untergang und ihm auch nichts entgegenzusetzen hat als chaotische Verteidigungsversuche mit offensichtlich unzureichenden Waffen.

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