Goethe: Natürliche Fähigkeiten werden durch harte Arbeit und Talent zu echter Kunst.
ChatGPT hat hier mit seinem Kumpel Dall-E sehr schön veranschaulicht, was Goethe meint, wenn es um die Beziehung zwischen Natur und Kunst in seinem Sinne geht. Links, der von seinem künstlerischen Innendruck Getriebene – rechts der, der versucht, diesen Innendruck in geordnete Kanäle zu bringen.
Goethe
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen …
- Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
- Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
- Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
- Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
- Das lyrische Ich beobachtet, wie Natur und Kunst zunächst gegensätzlich erscheinen, sich dann aber annähern.
- Es erkennt, dass seine anfängliche Abneigung verschwindet und es sich nun von beiden gleichermaßen angezogen fühlt.
- Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
- Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
- Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
- Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
- Das lyrische Ich betont die Notwendigkeit ernsthaften Bemühens.
- Es beschreibt, wie man sich durch diszipliniertes Arbeiten der Kunst widmet.
- Das führt am Ende dazu dass die Natur im Herzen wieder frei aufblühen kann.
- So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:
- Vergebens werden ungebundne Geister
- Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
- Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;
- In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
- Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
- Das lyrische Ich zieht Parallelen zur Bildung im Allgemeinen.
- Es erkennt, dass Disziplin und Selbstbeschränkung notwendig sind, um Großes zu erreichen.
- Es kommt zu dem Schluss, dass wahre Freiheit nur durch die Einhaltung von Regeln und Gesetzen erreicht werden kann.
Frage: Zugehörigkeit zur Klassik?
Wenn man dieses Gedicht prüfen soll, inwieweit es zur Klassik gerechnet werden kann, so lässt sich Folgendes feststellen:
- Schon die Überschrift macht deutlich, dass es hier um Harmonisierung geht, den Ausgleich von Gegensätzen. Das ist ein Ziel der Klassik.
— - Dann geht es um „redliches Bemühen“, das „in abgemeßnen Stunden“ gezeigt werden soll. Außerdem sollen „Geist und Fleiß“ „an die Kunst gebunden“ sein.
Das alles ist typisch Klassik, es geht um „Bildung“ im Sinne von sich anstrengen, um mit Plan und Disziplin höhere Ziele zu erreichen. Wichtig ist die Bindung an sie und an die sie tragenden Prinzipien.
— - Und nur vor diesem Hintergrund mag „frei Natur im Herzen wieder glühen“. Das heißt: Die Natur in Freiheit darf eine Rolle spielen, ist und bleibt auch Basis für künstlerische Genialität, aber sie wird eben eingebunden.
— - Dann kommt auch das Schlüsselwort „Bildung“, das schon angesprochen wurde. Nur entsprechend den genannten Grundsätzen kann man „Nach der Vollendung reiner Höhe streben“.
— - Dann wird es recht extrem, wenn sogar von Selbst-„Beschränkung“ die Rede ist als Voraussetzung für wahre Meisterschaft.
— - Und am Ende ganz allgemein der Bezug auf „das Gesetz“, also die Grundregeln des Lebens, wie Goethe und Schiller sie meinen, der Antike entnehmen zu können. Nur auf dieser Basis und in diesem Rahmen ist „Freiheit“ möglich.
— - Auch die Sonett-Form des Gedichtes passt zu dieser Verbindung von Natur, dem, was im Menschen an Talent vorhanden ist, und dem „Gesetz“, d.h. der Bindung auch an äußere Regeln mit dem Ziel, höchste Vollendung von Form und Inhalt zu erreichen.
— - Aufbau:
- Das erste Quartett beschreibt die Erfahrung der Vereinigung von Natur und Kunst.
- Im zweiten Quartett erfolgt gewissermaßen eine „Ressourcen“-Zuteilung bzw. Gewichtung und Abfolge, was die beiden Säulen künstlerischer Qualität angeht.
- Ab dem ersten Terzett erfolgt dann die Ausweitung der eigenen Erfahrung auf grundsätzliche Regelstrukturen des Lebens.
- Diese erhalten am Ende sentenzhaft eine maximale künstlerische Formung.
- Fazit: Insgesamt behandeln die Quartette eher noch den eigenen Erfahrungsraum, während die Terzette das Allgemeine formulieren.
- Insgesamt ist eine klare Struktur von der individuellen zur allgemeinen persönlichen Erfahrung, dann zur Feststellung grundsätzlichzer Gegebenheiten im Bereich der Bildung – mit dem Abschluss der maximalen Konzentration auf das Gesetzhafte, das für Goethe Natur und Kunst verbindet.
Übertragung auf uns heute
- Man muss sich nur mal vorstellen, man will richtig gut in etwas werden, zum Beispiel in einem Sport oder bei einem Instrument.
- Goethe sagt in diesem Gedicht, dass es manchmal so aussieht, als würden natürliches Talent und harte Arbeit nicht zusammenpassen.
- Aber in Wirklichkeit braucht man beides!
- Am Anfang denkt man vielleicht, dass Regeln und Übungen nervig sind und einen einschränken.
- Aber Goethe meint, dass man gerade durch diese „Einschränkungen“ – also regelmäßiges Üben und das Befolgen bestimmter Techniken – wirklich gut wird und seine eigene Kreativität entfalten kann.
- Das Gleiche gilt für’s Lernen allgemein:
- Wer einfach drauflos lernt, ohne Plan und Struktur, wird es schwer haben, richtig gut zu werden.
- Stattdessen sollte man sich „zusammenraffen“, also diszipliniert sein und sich an Regeln halten.
- Das klingt zwar nach weniger Freiheit, aber Goethe sagt, dass man gerade dadurch am Ende mehr Freiheit gewinnt – weil man dann die Fähigkeiten hat, seine Ideen wirklich umzusetzen.
- Kurz gesagt: Talent ist super, aber ohne harte Arbeit und ein bisschen Disziplin wird man nicht weit kommen. Die Kombination aus beidem macht einen zum echten Meister!
Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 89-90,121-122.
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Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Auf dieser Seite haben wir gezeigt, wie wichtig es ist, sich nicht zu schnell auf der Basis von Begriffen im Text eine Meinung zur Epochenzugehörigkeit zu bilden.
Wichtig ist, das Gedicht wirklich zu verstehen, was bedeutet, das klassische Selbstverständnis zu erkennen, das auf persönlichen Erfahrungen beruht.
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