Lessing, „Emilia Galotti“: Wie charakterisiert man die Hauptfigur möglichst systematisch

Worum es hier geht:

Stellen wir uns vor, in einem Textkenntnistest wird verlangt, die Hauptfigur, nämlich Emilia Galotti in Lessings gleichnamigem Trauerspiel, zu charakterisieren.

Dann geht es darum, grundsätzlich etwas zu sagen zur Eigenart und zur Rolle bzw. Funktion der entsprechenden Figur.

Im Folgenden wollen wir zeigen, wie man eine möglichst gute Lösung konstruieren kann.

So etwas hat den Vorteil, dass es auch eine gute Vorübung zum Beispiel für ein Statement in einer mündlichen Prüfung ist.

Wichtig ist dabei der richtige Mix aus Grundsätzlichem und Ablauforientiertem. Das Grundsätzliche wäre hier die auch religiös motivierte moralische Haltung, die durch die Anmache des Prinzen in Gefahr gerät.

Der Ablauf ergibt sich durch die Entwicklung des Konflikts.

Allgemeiner Einstieg: Von der Rolle zum dramatischen Konflikt
  1. Am besten beginnt man ganz allgemein:
    • Emilia ist die Hauptfigur in Lessings Drama.
  2. Dann leitet man über zu ihrem Problem:
      • Dazu wird sie, weil der Landesherr, ein Fürst (typisch für die Staaten der Renaissance um 1500), ein Auge auf sie geworfen hat und alles tut, um mit ihr in Kontakt zu kommen.
      • Daran trägt die Mutter Schuld, die von ihrem Mann, Emilias Vater zu hören bekommt:
        dass es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war, als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben; – fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.“ (24)“
      • Als Tochter Odoardo Galottis, eines sittenstrengen Offiziers, und auch wegen ihrer am Bürgertum ausgerichteten moralischen Grundhaltung kommt für Emilia irgendein Verhältnis mit dem Fürsten nicht in Frage. Sie reagiert auch entsprechend verwirrt und empört, als sie bei einem Kirchgang zudringlich angesprochen wird.
      • Zitat: Sorge der Mutter:
        „Gott! Gott! wenn dein Vater das wüsste! – Wie wild er schon war, als er nur hörte, dass der Prinz dich jüngst nicht ohne Missfallen gesehen.“ (30)
        Dahinter steht der Vorwurf des Vaters, die Mutter hätte mit ihrer Stadtleidenschaft Emilia überhaupt erst in diese gefährliche Situation gebracht.
Adlige Intrige gegen bürgerliche Normalität

Dabei kann man vom Grundsätzlichen aus zu den konkreten Ereignissen kommen

    • Vorher hat Emilia den Prinzen schon bei einer Abendgesellschaft im Haus seines Kanzlers getroffen, wobei sich in ihr doch so etwas wie ein „Tumult“ ergeben hat, der sie anscheinend doch auch in eine innere Bedrängnis gebracht hat.
    • Die Abneigung gegenüber einem Techtelmechtel mit dem Prinzen wird verstärkt dadurch, dass sie kurz vor der Hochzeit mit Graf Appiani steht, was Emilia sehr ernst nimmt.
    • Auch denkt sie so ähnlich wie der Graf, was eine Grundstimmung in Richtung „Sturm und Drang“ angeht. Emilia möchte nämlich bei der Hochzeit erscheinen:
      fliegend und frei“ (33)
    • Problematisch ist, dass Emilia ihren Bräutigam auf Anraten ihrer Mutter nicht über die anzügliche Annäherung des Prinzen in der Kirche informiert. Der hätte dann vielleicht etwas gegen die weitere Entwicklung unternehmen können.
  1. Eine gute Perspektive ergibt sich durch die Gegenüberstellung von bürgerlicher Normalität adliger Intrige
    • So wird arglos weiter auf die Hochzeit hingearbeitet, während der Prinz seinem Berater Marinelli freie Hand zu einem Überfall auf die Kutsche des Grafen gibt, wobei dieser umkommt, während Emilia entführt wird.
    • Dort kann sie zwar von ihrem Vater besucht werden, aber unter einem Vorwand von einer genaueren Untersuchung des Überfalls soll Emilia unter der Kontrolle des Prinzen bleiben.
Die tragische „Lösung“ des Konflikts

Dann braucht man nur noch zu erklären, wie es zum tragischen Ende kommt.

    • Emilia sieht keinen anderen Ausweg mehr, als sich umzubringen. Odoardo hält sie aber davon ab, ist aber schließlich bereit, von sich aus seine Tochter zu töten.
    • Insgesamt erscheint Emilia als eine sittenstrenge, tiefreligiöse Frau, die stark unter dem Einfluss ihrer Eltern steht und schließlich eher bereit ist zu sterben als moralisch in Gefahr zu kommt. Diese Gefahr kommt in erster Linie von außen, aber es gibt eben auch die eine Stelle, die zeigt, dass die junge Frau sich sich nicht sicher fühlt, mit den Herausforderungen von Erotik und Sexualität umzugehen.

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