Klausurlösung: Analyse Sachtext mit Stellungnahme: Zweig, „Reisen oder gereist werden“ (Mat2808-loe)

Worum es hier geht:

Der Klausurtext und unser Kommentar zum Argumentationsgang
  1. Darum lieber das Unbequeme, das Lästige, das Ärgerliche dazu: es gehört zu jeder richtigen Reise, denn immer liegt ein Widersinn zwischen dem Komfortablen, dem mühelos Erreichten und dem wirklichen Erleben.
  • Ausgangspunkt ist eine These, die zunächst mal provokativ ist.
    Denn sie stellt beim Reisen das Ärgerliche in einen positiven Zusammenhang.
  • Das wird dann erklärt in dem Sinne, dass wirkliche Erlebnisse immer mit der Entfernung von der Normalität verbunden sind.
  • Leserlenkung:
    Man könnte allerdings die kritische Frage stellen, ob jede dieser Abweichungen denn nun automatisch etwas Positives ist.
  • Man denke etwa daran, dass jemand im Dschungel oder in der Wüste umkommt oder einem Überfall zum Opfer fällt.
  1. Alles Wesentliche im Leben, alles, was wir Gewinn nennen, wächst aus Mühe und Widerstand, aller wirkliche Zuwachs an Weltgefühl muss irgendwie an ein Persönliches unseres Wesens gebunden sein.
  • Dieser Gedanke wird im nächsten Absatz dann noch etwas weiter ausgeführt.
  1. Deshalb will mir die immer mehr verbesserte Mechanik des Reisens mehr Gefahr als Gewinn für jeden scheinen, der nicht nur von außen an das Fremde heran will, sondern sich wirklich lebendiges und betontes Bild von neuer Landschaft in die Seele ziehen.
  • Es folgt die aus dieser Position sich ergebende Kritik am sogenannten Fortschritt beim Reisen, der es erleichtert, aber ihm natürlich auch das Abenteuerliche nimmt.
  1. Wo wir nicht entdecken oder wenigstens zu entdecken vermeinen, wo nicht eine verborgene Energie und Sympathie uns zu neuen Dingen führt, fehlt eine geheimnisvolle Spannung im Genießen, eine Verbindung zwischen dem Niegesehenen und unserem überraschten Blick, und je weniger wir die Erlebnisse an uns bequem herbringen lassen, je mehr wir ihnen abenteuernd entgegendringen, um so inniger bleiben sie uns verbunden.
  • Auch hier wird diese Überlegung auf mehrere Art und Weise erläutert.
  1. Bergbahnen sind herrlich: in einer Stunde heben sie uns empor in die großartigste Gebirgswelt, unermüdet und bequem genießt man den Rundblick in die niedergebückte Welt. Aber doch, es fehlt irgendein seelischer Reiz bei diesem mechanischen Hinaufgebrachtsein, ein merkwürdig prickelnder Stolz, das Gefühl der Eroberung.
  • In  diesem Abschnitt wird dann am Beispiel von Bergbahnen gezeigt, was einem fehlt, wenn man auf diese Art und Weise komfortabel zum Gipfel gebracht wird.
  1. Und dies sonderbare, aber zum wahrhaften Erleben gehörige Gefühl entbehren alle, die so gereist werden statt zu reisen, die irgendwo an einem Schalter zwar den Preis für die Rundreise aus der Brieftasche bezahlen, aber nicht den andern Preis, den höheren, den wertvolleren, aus dem inneren Willen, der gespannten Energie.
  • In diesem Abschnitt wird noch einmal der Kontrast zwischen der bequemen, aber ereignisarmen Reise und dem Gegenteil deutlich gemacht.
  1. Und sonderbar: gerade dieser Aufwand erstattet sich später am verschwenderischsten zurück. Denn nur da, wo wir mit Ärger, Unannehmlichkeiten, Irrtum uns einen Eindruck erkauften, bleibt die Erinnerung besonders leuchtkräftig und stark, an nichts denkt man lieber als an die kleinen Mühseligkeiten, die Verlegenheiten, die Irrungen und Wirrungen einer Reise, so wie man ja auch in späteren Jahren die dümmsten Dummheiten seiner eigenen Jugend am freudigsten liebt.
  • Ausführlich wird dann noch einmal auf den Erlebnisgewinn eingegangen, den nach Meinung des Autors derjenige hat, der sich dem Erlebnis überhaupt aussetzt in seiner ganzen Bandbreite.
  1. Dass unser eigenes tägliches Leben immer mechanischer, ordnungshafter auf den glatten Schienen eines technischen Jahrhunderts verläuft, wir können es nicht mehr hindern, ja wir wollen es vielleicht gar nicht, weil wir unsere Kräfte damit sparen. Aber Reise soll Verschwendung sein, Hingabe der Ordnung an den Zufall, des Täglichen an das Außerordentliche, sie muss allerpersönlichste, ureigenste Gestaltung unserer Neigung sein.
  • Im Schlussteil wird das Reisen in den größeren Zusammenhang gestellt.
    • Angesichts der Gesamttechnisierung und damit komfortablen Gestaltung des Lebens wird gewissermaßen dem Reisen eine wichtige Funktion zu gewiesen.
    • Es kann den Verlust am Abenteuerlichen zumindest kurzzeitig, aber mit großer Wirkung, ausgleichen.
  • Insgesamt
    • kann man dem Verfasser grundsätzlich zustimmen.
    • Man sollte die Position an einigen persönlichen Erlebnis-Situationen konkret durchgespielt werden.
    •  Dabei könnte eben auch deutlich werden, dass der Text einen starken Anstoßcharakter enthält, aber auch anstößig ist natürlich in seiner Einseitigkeit.
    • Denn es wird völlig übersehen,
      • dass Reiseerlebnisse nicht unbedingt positiv sein müssen
      • und dass man das Abenteuerliche durchaus auch im Nicht-Reiseteil seines Lebens erleben kann.
        Hierbei könnte man zum Beispiel an Leseabenteuer denken oder auch an spannende Hobbys.

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