Lösungshinweise zur Klausur, Lessing, „Nathan der Weise“ 3-9, in Verbindung mit 5-8 – Schwerpunkt Kommunikation (Mat6264-loe)

Worum es hier geht:

Auf der Seite
https://schnell-durchblicken.de/klausur-lessing-nathan-der-weise-3-9-in-verbindung-mit-5-8-schwerpunkt-kommunikation
haben wir eine Klausuraufgabe vorstellt.

Hier nun:

Hinweise zur Lösung:
  1. Analysieren Sie die Szene 9 des 3. Aktes in Lessings Theaterstück „Nathan der Weise“, indem Sie
    1. die Szene kurz mit Angabe des Themas vorstellen,
      • Die Textvorlage enthält die 9. Szene des 3. Aktes aus Lessings Ideendrama „Nathan der Weise“ und beschäftigt sich mit der Frage, wie einerseits Nathan und andererseits der Tempelherr mit der aktuellen Situation umgehen.
    2. klären, welche Ausgangssituation zu Beginn der Szene vorliegt,
      • Im ersten Akt hat sich der christliche Tempelherr noch voller Vorurteile und Ressentiments gegenüber Juden gezeigt.
      • Dementsprechend schlugen Versuche Rechas, sich bei ihrem Retter zu bedanken und die offene Aufnahmebereitschaft Nathans erst mal fehl.
      • Im zweiten Akt kommt es dann überraschend doch zu einer Annäherung zwischen dem Tempelherrn und Nathan, woraus sogar Freundschaft wird.
      • Im dritten Akt kommt es dann dank der einfühlsamen Rücksichtnahme Rechas auf die Gefühle des Tempelherrn auch zwischen diesen beiden Menschen zu einer Annäherung, die bei dem christlichen Ritter zu einem regelrechten Liebessturm wird, die ihn alle religiösen Hindernisse beiseiteschieben lässt.
    3. wie die Kommunikation in der Szene verläuft
      (Konzentrieren Sie sich angesichts der Länge des Textes, der Ihnen allerdings bekannt ist, nur auf diesen Punkt!
      und
    4. welche Schluss-Situation sich am Ende der Szene ergibt.
      • Gleich am Anfang der Szene wird deutlich, wie wenig gefühlsengagiert und nur betont sachlich sich Nathan verhält.
      • Der Gegensatz zeigt sich dann in der Reaktion des Tempelherrn, Nathan auf dem Weg zum Sultan, der ihn sehen will, noch kurz zu seinem Haus zu begleiten.
      • Der Tempelherr weigert sich kategorisch, dort nur noch einmal vorbeizugehen und macht deutlich, dass er ab jetzt dort immer hin wolle oder nie mehr.
      • Zur relativen Katastrophe kommt es, als der Tempelherr spontan seinem potenziellen Schwiegervater um den Hals fällt und der deutlich macht, dass er ihn nicht als Sohn, sondern nur als Freund betrachte:
        Am deutlichsten wird die Verzweiflung des enttäuschten Tempelherrn, wenn er bittet: „Stoßt mich/nicht von Euch!“
      • Der Tempelherr setzt jetzt auf völlige Offenheit und gesteht Nathan die wechselseitige Liebe zwischen Recha und ihm.
      • Dann kommt eine entscheidende Stelle, die einen Grundzug der Kommunikation Nathans deutlich macht:
        Er knüpft sein Verhalten an die Klärung der Frage „Was für ein Stauffen Euer Vater denn /Gewesen ist.“
      • Als der Tempelherr deutlich macht, dass er das, was er als pure Neugier verstehen muss, für unangebracht hält, reagiert Nathan weiter nur distanziert-sachlich.
      • Der Tempelherr reagiert „bitter“, wie Nathan dann doch bemerkt:
        Angesichts der Ehelosigkeit seines Vaters ist er bereit, sogar ein „Bastard“ zu sein. Jedenfalls hat er keine Lust auf eine weitere „Ahnenprobe“ und kehrt zu seiner alten Haltung zurück, indem er Nathan einfach einer langen jüdischen Generationskette zuordnet, die bis zu Abraham zurückreicht.
      • Nathan meint, den Tempelherrn beschwichtigen zu können, indem er ihn auf die Klärung einer für ihn wichtigen, aber ansonsten relativ einfachen Frage vertröstet.
      • Damit kann der Tempelherr verständlicherweise nichts anfangen und geht dann soweit, deutlich zu machen, wenn er Recha nicht dauerhaft sehen könne, dann habe er sie „schon viel zu viel“ gesehen.
      • Letztlich läuft das auf ein Ultimatum und eine mögliche Trennung hinaus.
      • Nathan bleibt in seiner Prioritätsblase und verspricht nur: „Ich will mich möglichst eilen.“
      • Auswertung im Hinblick auf die Schluss-Situation:
        1. Deutlich wird hier, dass Nathan nicht die geringste Fähigkeit oder Bereitschaft zeigt, auf die Gefühle seines Gegenübers einzugehen.
        2. Es wäre für ihn leicht, den Tempelherrn gewissermaßen zum Partner der Recherche zu machen.
        3. Stattdessen stößt er ihn vor den Kopf
        4. und nimmt in Kauf, dass der Tempelherr die Beziehung zu Recha abbricht – nur wegen des unverständlichen Verhaltens ihres Vaters – für den muss er Nathan zu diesem Zeitpunkt ja noch halten.
        5. Insgesamt also ein durch nichts begründetes Verhalten, das ein mögliches Ende der Liebeshoffnungen Rechas riskiert.
        6. Der Tempelherr braucht ja nur angesichts der empfindlichen Demütigung, die er hier empfunden haben muss, wieder jede Beziehung zu Nathan und seiner Familie abbrechen.
        7. Letztlich kann man Lessing vorwerfen, dass er hier aus dramaturgischen Gründen Nathan vollkommen entgegen seinem Attribut „weise“ sich verhalten lässt – ohne dass es anders motiviert wäre, als um das Stück in die Länge zu ziehen.
  2. Nehmen Sie Stellung zu der These, Nathan verhalte sich im Stück egoistisch, vor allem nehme er wenig Rücksicht auf die Situation anderer Personen im Stück.
      • Schon am Anfang wird die Rücksichtslosigkeit Nathans deutlich, der Recha im Unklaren über ihre Herkunft lässt
      • und sogar in einem zunächst einmal falschen Glauben erzieht.
      • Dazu kommt, dass er sie auch bildungsmäßig ganz auf sich fixiert, wie Recha im Gespräch mit Sittah auch noch stolz betont.
      • Noch schlimmer wird es dann in der Schluss-Szene, wo Nathan auf fast schon zynische Freude sein Verkündigungsprogramm durchzieht, statt gleich zu sagen, was Sache ist. Stattdessen muss er da so ein Bruder-Geheimnis inszenieren, was wohl keiner der anderen wirklich als Spaß akzeptieren kann.
      • Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass alle Beteiligten sich auf das Konstruktionsspiel ihres Autors einlassen, der sich kein bisschen für die Liebesbeziehung zwischen Recha und dem Tempelherrn interessiert.
      • Wer auch nur einen einzigen Liebesfilm gesehen hat, der weiß, dass es die maximale Katastrophe für ein Liebespaar ist, wenn sie plötzlich entdecken, dass sie Bruder und Schwester sind. Die ganze Inzestproblematik scheint dem großen Aufklärer Lessing unvertraut zu sein.
      • Damit haben wir hier letztlich die gleiche naive und stark ideologisierte Betrachtungsweise wie in der Ringparabel. Auch dort macht Nathan, der sicher im Sinne Lessings spricht, sich keine Gedanken, was aus drei Brüdern wird, von denen nur einer die Wunderkräfte eines Rings zu seiner Unterstützung und sicher auch Verstärkung hat.
      • Natürlich kann man auch einiges zu Gunsten von Nathan aufführen, so zum Beispiel die Formulierung der Basis für die Freundschaft mit dem Tempelherrn über Religionsgrenzen hinweg – aber genau diese Freundschaft setzt er ohne Grund aufs Spiel.
      • Auch das Setzen auf einen barmherzigen Gott statt auf einen nur richtenden und strafenden kann ihm zugute gehalten werden.
      • Aber – und das könnte eine Fazit sein: Das Attribut „weise“ ist nur teilweise gerechtfertigt.
  3. Formulieren Sie eine abschließende Bewertung seines Verhaltens auf der Basis des „Kategorischen Imperativs“ von Immanuel Kant.
      • Es ist schon deutlich geworden, dass das Verhalten Nathans in keiner Weise den Anforderungen des Kategorischen Imperativs entspricht.
      • Denn wo kämen wir hin, wenn jemand sein Pflegekind anscheinend grundsätzlich und für immer über seine wahre Herkunft im Unklaren lassen will
      • und es auch noch im Gegensatz zu der schon erfolgten christlichen Taufe in einem anderen Glauben erzieht.
      • Wenn zudem jeder so unkooperativ bei seinen Recherchen vorgehen würde, würden sie entweder unnötig lange dauern oder sogar kein Ergebnis erreichen.
      • Wer dann in sich so unstimmige Beispielgeschichten erzählt wie Nathan gegenüber dem Sultan wird wenig zur Aufklärung von wirklich intelligenten Menschen beitragen. Denn die werden die Schwachstellen sofort durchschauen.
      • Und wer so auf den Gefühlen anderer Menschen herumtrampelt wie Nathan in der Szene 3-9 und 5-8 wird die Zahl der Freundschaften in der Welt stark verringern und vielleicht sogar das Gegenteil riskieren – von spontanen Kurzschluss-Reaktionen ganz abgesehen. Wenn es kein Demo-Ideendrama wäre, könnte der Tempelritter sich anschließend auch in fremde Länder aufmachen, um dort den Tod zu suchen.

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