Rolf Dieter Brinkmann und sein Alltagswunder
- Beschreibung eines besonderen Moments, als ein klassischer Tango plötzlich durch eine offene Ladentür in einer ansonsten langweiligen Stadtumgebung erklingt. Dies regt das lyrische Ich an, sich das schnell aufzuschreiben.
Text in:
Lyrik nach 1945, Erarbeitet von Norbert Schläbitz, Schöningh 2007, S. 94
ISBN-13 : 978-3140223799
Worum es in dem Gedicht geht
- Das Gedicht „Einen jener klassischen“ von Rolf Dieter Brinkmann stammt aus dem Jahr 1975 und wurde in der Gedichtsammlung Westwärts 1&2 veröffentlicht.
- Es handelt sich um ein prosanahes, freies Gedicht, das eine Momentaufnahme in der Stadt Köln beschreibt.
- Im Zentrum steht die überraschende Wahrnehmung eines klassischen schwarzen Tangos,
- der für einen kurzen Moment aus einer Wirtschaft dringt
- und einen Kontrast zur tristen Umgebung bildet.
Dieses von ChatGPT erstellte Bild als kleine, hoffentlich motivierende Anregung.
Warum nicht selbst mal schauen, ob man im monotonen Alltag mal etwas Besonderes entdeckt.
Äußere Form
- Das Gedicht ist in freien Versen verfasst,
- ohne festes Reimschema
- oder ein einheitliches metrisches Muster.
- Die Verse sind unregelmäßig lang, aber in Zweiergruppen eingeteilt.
- In der Buchversion gehört die Überschrift gehört die Überschrift inhaltlich bereits zur ersten Gruppe.
- Die Zeilen erscheinen wie lose aneinandergereihte Beobachtungen.
- Diese Form unterstützt den spontanen, tagebuchartigen Charakter der Beschreibung.
- Der wird am Ende dadurch verstärkt, dass das lyrische Ich als beobachtende Person sich das Erlebnis sofort notieren will. Offensichtlich passiert in der Gegend wirklich sonst nicht viel.
Inhalt und Struktur
Wir zerlegen das in einzelne Elemente, um den Überblick über die Struktur zu erleichtern.
- Das lyrische Ich beschreibt eine Alltagsszene in Köln am Ende des Sommers.
- Die Wahrnehmung eines klassischen schwarzen Tangos
- aus einer griechischen Wirtschaft (V. 6–7)
- hebt sich aus der sonst als „verstaubt“ (V. 3) und „dunstig abgestorben“ (V. 16) empfundenen Umgebung hervor.
- Der Tango erscheint
- als fast wundersame Unterbrechung („beinahe ein Wunder“, V. 7)
- und schafft für einen kurzen Moment Erleichterung („Aufatmen“, V. 10).
- Doch dieser Moment
- ist flüchtig:
- Das lyrische Ich notiert die Beobachtung hastig,
- bevor sie wieder in der „verfluchten dunstigen Abgestorbenheit“ der Stadt verschwindet (V. 15–17).
Aussagen des Gedichts
Das Gedicht zeigt
- die Tristesse und Monotonie des städtischen Lebens, insbesondere in Köln, das als atemraubend und leblos geschildert wird.
- Die Musik erscheint als kurzer Lichtblick, als flüchtige Schönheit inmitten der Trostlosigkeit.
- Doch diese positiven Momente sind nicht von Dauer – sie verblassen schnell, und das lyrische Ich versucht verzweifelt, sie in Worten festzuhalten.
Sprachliche und rhetorische Mittel
- Gegensatz: Die „verfluchte dunstige Abgestorbenheit“ (V. 16) steht im Kontrast zur lebendigen Überraschung durch den Tango („beinahe ein Wunder“, V. 7).
- Wiederholungen: Die Formulierung „für einen Moment“ (V. 9–10) verstärkt die Vergänglichkeit des beschriebenen Erlebnisses.
- Enjambements: Die Zeilenumbrüche erzeugen einen fließenden, fast atemlosen Rhythmus, der die Eintönigkeit der Stadt widerspiegelt.
- Personifikation: „Diese Straße, die niemand liebt und atemlos macht“ (V. 12–13) verleiht der Stadt eine bedrückende, lebensfeindliche Qualität.
Interpretation und Bewertung
- Das Gedicht vermittelt das Lebensgefühl der 1970er Jahre, insbesondere Brinkmanns kritische Sicht auf die Tristesse (traurige Alltäglichkeit) des urbanen Alltags.
- Die kurze Schönheit des Moments – verkörpert durch die Musik – steht der grauen Wirklichkeit gegenüber, doch sie ist nicht von Dauer.
- Diese Flüchtigkeit kann als Sinnbild für Brinkmanns poetisches Programm gesehen werden: die unmittelbare Gegenwart in ihrer Rohheit festzuhalten.
- Die Qualität des Gedichts liegt in seiner ungekünstelten, authentischen Sprache.
- Es erfordert eine aufmerksame Lektüre, da es keine klassische Struktur oder Reime bietet.
- Gerade diese Unmittelbarkeit macht Einen jener klassischen zu einem eindrucksvollen, melancholischen Stadtgedicht.
Anregung
- Das Gedicht kann man gut nutzen, um die eigene Alltagswahrnehmung auch mal in ähnlicher Gedichtform zu präsentieren.
Vergleichsmöglichkeit
Durs Grünbein: „Nullbock“ – Subjektivität als Egozentrik
https://schnell-durchblicken.de/durs-gruenbein-nullbock
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Die interessantesten Gedichte nach 1945
http://textaussage.de/gedichte-nach-1945
— - Infos, Tipps und Materialien zum Thema „Literaturgeschichte“
https://textaussage.de/deutsche-literaturgeschichte-themenseite
— - Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
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