Schiller, „Die Räuber“ I. Akt, Szene 1: Inhalt, Zitate, Interpretation (Mat2125-1-1)

Worum es hier geht:

Auf der Seite

https://schnell-durchblicken.de/schiller-die-raeuber-inhalt-zitate-interpretation

geben wir einen knappen Überblick über den Inhalt von Schillers Drama und verweisen auf wichtige Textstellen.

Wenn ausführlicher auf Textstellen eingegangen wird, dann lagern wir die aus.

Hier zum Beispiel geht es um den Kern der 1. Szene des I. Aktes.

  • Zur Situation:
    Franz ist der zweitgeborene Sohn eines Adligen und leidet darunter, dass sein älterer Bruder ihm vorgezogen wird. Deshalb erfindet er einen Brief, in dem dessen angebliche Schandtaten aufgeführt sind, und liest ihm den alten Vater vor. Der ist entsetzt, will einen solchen Sohn auch verstoßen, hofft aber auf Besserung. Franz erreicht, dass er nach dem gefälschten Brief nun seinem Bruder auch noch die Antwort des Vaters schreiben darf. Nach dessen Abgang werden sein wahres Wesen und seine Absichten deutlich:
  • „FRANZ mit Lachen ihm nachsehend.
    Tröste dich, Alter, du wirst ihn nimmer an diese Brust drücken, der Weg dazu ist ihm verrammelt wie der Himmel der Hölle – Er war aus deinen Armen gerissen, ehe du wusstest, daß du es wollen könntest – da müsst ich ein erbärmlicher Stümper sein, wenn ichs nicht einmal so weit gebracht hätte,
    einen Sohn vom Herzen des Vaters loszulösen, und wenn er mit ehernen Banden daran geklammert wäre – Ich hab einen magischen Kreis von Flüchen um dich gezogen, den er nicht überspringen soll – Glück zu, Franz! Weg ist das Schoßkind – Der Wald ist heller. Ich muss diese Papiere vollends aufheben, wie leicht könnte jemand meine Handschrift kennen! Er liest die zerrissenen Briefstücke zusammen. – Und Gram wird auch den Alten bald fortschaffen – und ihr muss ich diesen Karl aus dem Herzen reißen, wenn auch ihr halbes Leben dran hängen bleiben sollte.
  • Franz freut sich, dass er seinen älteren Bruder beim Vater schlecht gemacht hat.
  • Als nächstes hofft er, dass dieser auch bald stirbt, so dass er das Erbe übernehmen kann.
  • Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre! ich will sie geltend machen. – Warum bin ich nicht der erste aus Mutterleib gekrochen? Warum nicht der einzige? Warum musste sie mir diese Bürde von Hässlichkeit aufladen? Gerade mir? Nicht anders, als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase? Gerade mir dieses Mohrenmaul? Diese Hottentottenaugen? Wirklich, ich glaube, sie hat von allen Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen und mich daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben, jenem dieses zu verleihen und mir vorzuenthalten? Könnte ihr jemand darum hofieren, eh er entstund? Oder sie beleidigen, eh er selbst wurde? Warum ging sie so parteilich zu Werke?
  • Hier klagt er, warum er nicht der Erstgeborene ist.
  • Auch beklagt er seine Hässlichkeit.
  • Nein! nein! Ich tu ihr Unrecht. Gab sie uns doch Erfindungsgeist mit, setzte uns nackt und armselig ans Ufer dieses großen Ozeans Welt – Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu plump ist, geh unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze.
  • Dem gegenüber stellt er einen – in diesem Falle allerdings verbrecherischen – „Erfindungsgeist“, der es ihm erlaubt, seine Ziele eben mit eigenen Mitteln zu erreichen.
  • Für ihn zählt nur das Gesetz des Stärkeren.
  • Moralische Grenzen gibt es für ihn nicht, wozu er Kraft hat, das will er auch tun.
  • Wohl gibt es gewisse gemeinschaftliche Pakta, die man geschlossen hat, die Pulse des Weltzirkels zu treiben. Ehrlicher Name! – Wahrhaftig, eine reichhaltige Münze, mit der sich meisterlich schachern läßt, wers versteht, sie gut auszugeben. Gewissen, – o ja freilich! ein tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschröcken! – auch das ein gut geschriebener Wechselbrief, mit dem auch der Bankerottierer zur Not noch hinauslangt.
  • Franz ist bereit, seinen ehrlichen Namen als Adliger einzusetzen, mit ihm zu „schachern“.
  • Auch sein Gewissen will er so einsetzen, wie es seinen Zielen dient.
  • In der Tat, sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respekt und den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten, damit die Gescheiten es desto bequemer haben. Ohne Anstand, recht schnackische Anstalten! Kommen mir für wie die Hecken, die meine Bauren gar schlau um ihre Felder herumführen, dass ja kein Hase drüber setzt, ja beileibe kein Hase! – Aber der gnädige Herr gibt seinem Rappen den Sporn und galoppiert weich über der weiland Ernte.
  • Am Beispiel des Pferdes eines adligen Herren und eines Hasen zeigt er den Unterschied der Möglichkeiten auf, Hecken als Grenzzeichen zu überspringen.
  • Armer Hase! Es ist doch eine jämmerliche Rolle, der Hase sein müssen auf dieser Welt – Aber der gnädige Herr braucht Hasen!
  • Also frisch drüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger mächtig als der, den alles fürchtet. Es ist itzo die Mode, Schnallen an den Beinkleidern zu tragen, womit man sie nach Belieben weiter und enger schnürt. Wir wollen uns ein Gewissen nach der neuesten Façon anmessen lassen, um es hübsch weiter aufzuschnallen, wie wir zulegen. Was können wir dafür? Geht zum Schneider!
  • Hier betont er noch mal, dass man sein Gewissen anpassen kann wie Kleider.
  • Ich habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe schwatzen gehört, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte – Das ist dein Bruder! – das ist verdolmetscht: Er ist aus eben dem Ofen geschossen worden, aus dem du geschossen bist – also sei er dir heilig! – Merkt doch einmal diese verzwickte Konsequenz, diesen possierlichen Schluß von der Nachbarschaft der Leiber auf die Harmonie der Geister, von ebenderselben Heimat zu ebenderselben Empfindung, von einerlei Kost zu einerlei Neigung.
  • Hier geht es um „Blutliebe“, also die Liebe zur eigenen Familie.
  • Die lehnt er ab, das zählt für Franz nicht.
  • Aber weiter – es ist dein Vater! Er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut – also sei er dir heilig. Wiederum eine schlaue Konsequenz! Ich möchte doch fragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir, der erst ein Ich werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte? Oder hat er mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich gewünscht da er mich machte? Wusste er was ich werden würde? Das wollt ich ihm nicht raten, sonst möcht ich ihn dafür strafen, dass er mich doch gemacht hat! Kann ichs ihm Dank wissen, dass ich ein Mann wurde? So wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht hätte. Kann ich eine Liebe erkennen, die sich nicht auf Achtung gegen mein Selbst gründet? Konnte Achtung gegen mein Selbst vorhanden sein, das erst dardurch entstehen sollte, davon es die Voraussetzung sein muß? Wo stickt dann nun das Heilige? Etwa im Aktus selber, durch den ich entstund? – Als wenn dieser etwas mehr wäre als viehischer Prozess zur Stillung viehischer Begierden! Oder stickt es vielleicht im Resultat dieses Aktus, der noch nichts ist als eiserne Notwendigkeit, die man so gern wegwünschte, wenns nicht auf Unkosten von Fleisch und Blut geschehn müsste?
  • Hier geht es um die Liebe zum Vater.
  • Auch die weist Franz zurück.
  • Er hält sich selbst einfach für ein Produkt tierischer Begierden, also der Sexualität.
  • Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, dass er mich liebt? Das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schoßsünde aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettieren, wär es auch noch so häßlich. – Sehet also, das ist die ganze Hexerei, die ihr in einen heiligen Nebel verschleiert, unsre Furchtsamkeit zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen wie einen Knaben?
  • Die Liebe seines Vaters hält er für eine Form von Egoismus.
  • Frisch also! mutig ans Werk! – Ich will alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, dass ich nicht Herr bin. Herr muss ich sein, dass ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die Liebenswürdigkeit gebricht. Ab.“
  • Das ist der Kern.
  • Franz hat einen Entschluss gefasst:
  • Er will alles vernichten, was ihn „einschränkt“.
  • Er will „Herr“ sein
  • und mit „Gewalt“ erreichen,
  • was ihm an „Liebenswürdigkeit“ fehlt.
  • D.h. Mit guten menschlichen Eigenschaften kann er nicht dienen, dann greift er eben zu den negativen Möglichkeiten der Gewalt – bzw. in diesem Falle der Intrige.

Anregung: Darüber könnte man diskutieren oder auch recherchieren…

Anregung:

Dieser Monolog des Franz Moor ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Ressentiments, also die negativen Gefühle, die jemand entwickeln kann, der sich zurückgesetzt fühlt.

Es lohnt sich vielleicht, mal nach aktuellen Situationen zu schauen, in denen auch junge Menschen heute sich die Frage stellen, warum sie real oder scheinbar im Vergleich zu anderen benachteiligt sind oder werden.

Das Ziel sollte dann sein, nach anderen Wegen zu suchen, als es Franz Moor getan hat – mit schrecklichen Folgen für andere und auch für sich selbst.

Es gibt sicher positive Beispiele, an denen man sich orientieren kann.

Weitere Infos, Tipps und Materialien