Worum es hier geht:
Hier wird erklärt, warum neben Goethe von Beckmann noch zwei andere Personen genannt werden, die mehr hermachen im „Kultur“-Betrieb als er als Kriegsfolge-Gespenst-
Das Besondere an Shirley Temple und Max Schmeling in Borcherts „Draußen vor der Tür“, insbesondere in der Gegenüberstellung mit Goethe, liegt in ihrer symbolischen Kraft als Kontrastfiguren und ihrer Repräsentation von Aspekten der deutschen Gesellschaft und Welt nach dem Zweiten Weltkrieg:
Kurz zu Goethe:
Goethe war nach dem II. Weltkrieg für das deutsche Selbstbewusstsein sehr wichtig, weil er für Weltbürgertum und große Kultur mit hohen moralischen Ansprüchen stand.
Schiller dagegen wurde eher in Zeiten gefeiert, wenn es um Helden ging.
Nun zu den beiden anderen Personen, die sich natürlich nicht mit Goethe vergleichen können, aber gerade deshalb für Tendenzen des Kulturbetriebs nach 1945 stehen.
Shirley Temple: Symbol der verlorenen Unschuld und des Eskapismus
- Die heile, unschuldige Welt: Shirley Temple war ein amerikanischer Kinderstar, bekannt für ihre fröhlichen Musicals und ihre Darstellung einer kindlichen, unschuldigen und problemlosen Welt. Sie steht für Eskapismus, Leichtigkeit und eine unversehrte Realität, die das genaue Gegenteil der zerstörten, traumatisierten und schuldigen Nachkriegsdeutschland darstellt.
- Kontrast zur deutschen Realität: Ihre Nennung hebt die Ironie und den Schmerz hervor: Während Deutschland in Trümmern liegt und Beckmann existenzielle Verzweiflung durchlebt, symbolisiert Shirley Temple eine Welt, die scheinbar intakt und glücklich ist – eine Welt, die für die Figuren des Dramas unerreichbar geworden ist. Sie repräsentiert eine Sehnsucht nach etwas Verlorenem oder nie Gekanntem.
- Amerikanischer Kitsch/Populärkultur: Sie steht auch für die Übernahme populärer amerikanischer Kultur in ein kulturell verwüstetes Deutschland, das sich nach etwas Seichtem und Ablenkendem sehnt.
Max Schmeling: Symbol der physischen Stärke, des populären Helden und der problematischen Vergangenheit
- Der „deutsche“ Held: Max Schmeling war ein berühmter deutscher Boxer und Weltmeister im Schwergewicht. Er galt als nationaler Held und war auch während der NS-Zeit eine zentrale Figur, obwohl er sich persönlich von der Ideologie distanzierte und jüdische Freunde schützte. Er repräsentiert körperliche Stärke, Durchsetzungsvermögen und einen bestimmten Typus des populären Idols.
- Kontrast zur geistigen Leere: Während Goethe für geistige Größe und Kultur steht, symbolisiert Schmeling die „Kraft“, die vielleicht in der Vergangenheit verehrt wurde, aber im Nachkriegsdeutschland, das nach Sinn und moralischer Orientierung sucht, nicht mehr relevant ist oder gar eine problematische Leere offenbart. Seine „Heldenhaftigkeit“ ist eine des Körpers, nicht des Geistes oder der Moral.
- Vergangenheit und Gegenwart: Seine Präsenz erinnert an eine Zeit, in der Deutschland nationale „Größen“ feierte, oft auf eine Weise, die im Kontext des Nationalsozialismus missbraucht wurde. Die Erwähnung Schmelings kann somit auch eine subtile Kritik an der unreflektierten Fortführung von Heldenverehrung darstellen, ohne die dahinterliegenden moralischen Fragen zu klären.
Das Besondere an ihrer gemeinsamen Nennung mit Goethe:
Die eigentliche „Besonderheit“ liegt darin, dass diese drei so unterschiedlichen Figuren (der intellektuelle Dichterfürst, der unschuldige Kinderstar, der körperlich starke Sportheld) vom zynischen Kabarett-Direktor in einem Atemzug genannt werden. Dies zeigt:
- Die Dekonstruktion von Werten: Traditionelle Hierarchien von Werten und Leistungen sind zusammengebrochen. Es gibt keine klaren Kriterien mehr, wer oder was „groß“ oder „wichtig“ ist. Alles ist beliebig geworden.
- Die Sinnsuche im Absurden: Die Aufzählung ist Ausdruck einer tiefen Verzweiflung und des Verlusts jeglicher Orientierung. Sie verdeutlicht die absurde Situation, in der sich die Menschen nach dem Krieg wiederfanden – gefangen zwischen einer zerstörten Vergangenheit und einer sinnlosen Gegenwart.
- Kritik an der Oberflächlichkeit: Borchert kritisiert damit die Oberflächlichkeit einer Gesellschaft, die entweder in eskapistischer Unterhaltung Zuflucht sucht (Shirley Temple) oder an problematischen Heldengestalten festhält (Max Schmeling), anstatt sich den echten, tiefgreifenden Problemen zu stellen, die Goethe in seinen Werken ansprach, nun aber scheinbar keine Rolle mehr spielen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Infos, Tipps und Materialien zu Wolfgang Borchert und seinem Werk – Übersicht
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