Vergleich zwischen Eve aus „Der zerbrochene Krug“ und „Marie“ aus Woyzeck (Mat7447)

Vergleich von „Eve“ und „Marie“

  • Ausgangspunkt der Idee dieses Vergleichs war unsere Sympathie für Marie, wozu wir auch ein Video gemacht haben.
    Videolink
    https://youtu.be/HeIjcsnYsiM
    Dokumentation:
    https://schnell-durchblicken.de/buechner-woyzeck-marie-und-die-frage-der-emanzipation
  • Bei der Beschäftigung mit Eve haben wir dann auch an einigen Stellen den Eindruck gehabt, dass es sich sich hier um eine recht selbstbewusste Frau handelt.
    Das zeigt sich besonders in ihrer Klage gegenüber Ruprecht, er hätte mehr Vertrauen zu ihr haben müssen. Dies wiederum führt in der Variant-Fassung der Szene 12 zu ihrer Ablehnung einer schnellen Versöhnung.
  • Da lag es nahe, ChatGPT mal nach einer Lösung zu fragen: Wir präsentieren die hier und kommentieren sie auch – durch MIA = Menschliche Intelligenz in Aktion.

Aufgabe:

Erörtere die Frage, inwieweit man Eve aus der Komödie „Der zerbrochene Krug“ von Kleist vergleichen kann, mit der Figur der Marie in Büchners „Woyzeck“.

MIA: Wichtig ist, dass man grundsätzlich fast alles miteinander vergleichen kann. Ausgangspunkt der Idee ist die Frage, ob nicht beide Frauen – wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise – etwas aus den Rollengrenzen ihrer Zeit herausragen – allerdings mit deutlichen Unterschieden, was den Ausgang ihrer Bemühungen angeht.

Lösung

Die Figuren der Eve aus Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ und der Marie aus Georg Büchners „Woyzeck“ lassen sich auf mehreren Ebenen miteinander vergleichen, da sie beide zentrale Frauenfiguren in ihren jeweiligen Werken sind, die jedoch in sehr unterschiedlichen literarischen und sozialen Kontexten agieren. Ein Vergleich könnte sich auf folgende Aspekte konzentrieren:

MIA: Die Frage ist hier, ob man gleich mit den Ebenen beginnen sollte. Wäre es nicht einfacher, wenn man in beiden Fällen erst mal die Ausgangslage, dann ihr Verhalten im Krisenfall und schließlich ihr Schicksal am Ende behandeln würde. Das wäre dann zugleich eine gute Überleitung zum Unterschied der Gattungen (Komödie, Tragödie).

  1. Soziale Stellung und Abhängigkeit

Eve lebt in einem kleinbürgerlichen, ländlichen Umfeld und steht als Verlobte von Ruprecht Tümpel, dem Sohn des reichen Bauern, in einem Spannungsfeld zwischen ihrer eigenen Familie und der Tümpel-Familie. Ihr soziales Umfeld ist geprägt von patriarchalen Strukturen, die durch Richter Adam und Ruprechts Vater verkörpert werden. Eve gerät durch den zerbrochenen Krug in den Mittelpunkt einer Auseinandersetzung, die sowohl ihren Ruf als auch ihre Beziehung bedroht.

MIA: Hier übertreibt wohl ChatGPT, wenn auf soziale Unterschiede abgehoben wird. Unserer Meinung nach spielt das keine wesentliche Rolle – es geht um den Umgang mit der besonderen Situation (Militärgefahr, Intrige des Richters, dessen Übergriffigkeit und das sich dabei ergebende Misstrauen Ruprechts.)

  •   Marie hingegen lebt in ärmlichen Verhältnissen und ist als alleinerziehende Mutter sozial marginalisiert. Ihre finanzielle und emotionale Abhängigkeit von Woyzeck sowie ihre Affäre mit dem Tambourmajor zeigen, wie sehr sie von äußeren Umständen gedrängt wird, Entscheidungen zu treffen, die sie letztlich ins Verderben führen.
  • MIA: Hier hätten wir eher darauf hingewiesen, dass Eve Opfer einer Sexualattacke eines anderen wird, während Marie von sich aus die Beziehung zum Tambourmajor anstrebt. Gemeinsam allerdings sind in beiden Fällen allerdings daraus sich ergebende Probleme.

Vergleich: Beide Frauen sind durch ihre soziale Stellung und ökonomische Abhängigkeit stark eingeschränkt. Während Eve im bürgerlichen Milieu Spielball patriarchaler Interessen wird, ist Marie als Frau aus der Unterschicht noch stärker Opfer sozialer Zwänge.

  1. Moralische Konflikte und Entscheidungsfreiheit

  •   Eve gerät in einen moralischen Konflikt, da sie durch den Richter Adam belästigt wird und dadurch in eine Situation gerät, in der sie sich zwischen Loyalität zu sich selbst und der Wahrung des gesellschaftlichen Ansehens entscheiden muss. Sie bewahrt jedoch eine gewisse Stärke, indem sie Adam nicht direkt in Schutz nimmt.
  • MIA: Auch hier berücksichtigt ChatGPT für uns zu wenig, dass Eve ja gerade aus Liebe zu Ruprecht bereit ist, „List gegen Liste“ anzuwenden und auf das Attest-Angebot einzugehen. Ihr Bemühen, die Chance darauf nicht zu verlieren, führt dann ja dazu, dass sie vor Gericht so lange schweigt.
  •   Marie ist innerlich zerrissen zwischen ihrer Treue zu Woyzeck und ihrer Sehnsucht nach einem besseren Leben, das sie in der Beziehung zum Tambourmajor sucht. Ihre Entscheidungen sind dabei weniger Ausdruck moralischer Freiheit als vielmehr Resultat sozialer Not.

Vergleich: Beide Figuren stehen vor moralischen Dilemmata, wobei Eves Konflikte in einem komödiantischen Rahmen gelöst werden, während Maries Tragik zu ihrem Tod führt. Marie erscheint in ihrer Entscheidungsfreiheit jedoch deutlich eingeschränkter als Eve.

  1. Geschlechterrollen und patriarchale Machtstrukturen

  •   Eve steht in einem patriarchalischen System, das durch Figuren wie den Richter Adam und ihren angedachten Schwiegervater Tümpel geprägt ist. Ihr persönliches Schicksal wird wesentlich von Männern bestimmt, wobei sie jedoch in der Lage ist, sich passiv gegen ihre Unterdrückung zu wehren, indem sie den Prozess mit ihrem Schweigen beeinflusst.
  • MIA: Die Idee einer schweigenden Beeinflussung ist nicht schlecht, allerdings wird auch hier dem Vater Ruprechts eine zu große Bedeutung beigemessen.
  • Marie ist ebenfalls Opfer eines patriarchalischen Systems, das sie in eine untergeordnete Rolle zwingt. Sie wird von Männern wie Woyzeck und dem Tambourmajor als Objekt betrachtet, ohne dass sie eine Möglichkeit hat, sich aus diesem System zu befreien.
  • MIA: Die Gleichsetzung Woyzecks mit dem Tambourmajor ist auch so nicht nachvollziehbar. Bei ihm ist doch ebenfalls eine Zwangslage gegeben – starke Beanspruchung bis hin zum Missbrauch durch den Doktor und anscheinend Grenzen in der normalen Beziehungsfähigkeit. Dazu kommen wohl erhebliche gesundheitliche und vor allem mentale Probleme.

Vergleich: Beide Figuren sind Opfer patriarchaler Machtverhältnisse, doch Eve wird in Kleists Komödie nicht vollständig zerstört, während Maries Rolle in Büchners Drama geradezu ein Symbol für die Ausweglosigkeit der Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft ist.

MIA: Auch hier wird Woyzecks letztlich auch krankhaftes Verhalten zu sehr auf die Ebene grundsätzlicher gesellschaftlicher Probleme hochgezogen.

  1. Darstellung und Funktion in der Handlung

  •   Eve ist eine zentrale Figur in „Der zerbrochene Krug“, da sie als Opfer und zugleich als Mitwisserin die Auflösung des Konflikts antreibt. Ihre Rolle ist ambivalent: Sie ist gleichzeitig eine Projektionsfläche männlicher Macht und eine Figur, die durch ihre stille Präsenz das Unrecht entlarvt.
  • MIA: Hier gibt es einen gewissen Widerspruch zum „Antreiben“ und dem „Möglichst-nichts-Verraten“. Und die „Entlarvung“ ist letztlich der Hartnäckigkeit des Gerichtsrates und den Zeugenaussagen Lichts und Brigittes zu verdanken.
  • Marie ist in Woyzeck weniger eine aktive Protagonistin als vielmehr eine Figur, die die Tragödie Woyzecks katalysiert. Ihr Tod dient als Wendepunkt der Handlung und als Ausdruck der sozialen Determiniertheit der Figuren.
  • MIA: Auch hier wieder die Übertreibung von Eves Aktivitäten. Außerdem ist Maries Ermordung wohl weniger ein Wendepunkt als der traurige Schlusspunkt einer tragischen Gesamtentwicklung, einem „Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten“. Besser wäre es aber im Falle von Woyzeck von Zwangsläufigkeit zu sprechen.
    Diese Formulierung mit dem „Schnittpunkt“ hatten wir irgendwo im Gedächtnis und haben ihn hier verwendet. Weiter unten präsentieren wir eine interessante Erklärung von ChatGPT zu dieser Formulierung.

Vergleich: Während Eve in der Komödie eher subtil und indirekt wirkt, ist Maries Schicksal unmittelbar und tragisch. Beide Figuren fungieren jedoch als Schlüssel für die Konflikte der männlichen Hauptfiguren.

  1. Literarischer Kontext und Gattungseinfluss

  •   Eve ist Teil einer Komödie, in der trotz ihrer schwierigen Lage letztlich eine Ordnung wiederhergestellt wird. Ihr Schicksal ist nicht endgültig tragisch, da sie sich am Ende aus der Situation befreien kann.
  • MIA: Auch hier würden wir eher betonen, dass sie es weitgehend dem Gerichtsrat und seiner Hartnäckigkeit verdankt, dass sich alles zu ihren (und Ruprechts) Gunsten aufklärt. Man denke etwa an das Zusatzgeschenk einer Empfehlung an einen befreundeten Offizier.
  •   Marie gehört zu einem sozialkritischen Drama, das den Realismus und die Trostlosigkeit ihrer Lage betont. Ihr Tod ist unausweichlich und Teil eines gesellschaftlichen Appells.
  • MIA: Auch hier würden wir die Unausweichlichkeit nicht so stark betonen, denn Marie hätte rechtzeitig fliehen können – etwa zu ihren Eltern. Oder aber Woyzeck könnte sich auch in Eifersucht und Hass weniger mörderisch zeigen.

Vergleich: Die unterschiedlichen Gattungen prägen die Darstellung der Figuren maßgeblich. Eve wird in der Komödie eher symbolisch eingesetzt, während Marie im Drama als realistische Figur mit psychologischer Tiefe gezeichnet wird.

MIA: Hier würden wir auch etwas andere Akzente setzen und bei Eve eher ihre Verstrickung aus Liebe in ihren Fall hervorheben, was durch den zufälligen „Besuch“ und das kluge Engagement des Gerichtsrats aufgelöst wird. Bei Marie würden wir eher hervorheben, dass Büchners Fragment hier nur Ansätze von psychologischer Tiefe zeigen kann und zeigt.

Fazit

Eve und Marie können als Spiegelbilder weiblicher Figuren in zwei verschiedenen literarischen Traditionen gesehen werden. Während Eve in einer Komödie auftritt, in der patriarchale Strukturen subtil kritisiert werden, ist Marie die tragische Figur in einem sozialkritischen Drama, die in einem System aus Armut, Abhängigkeit und Gewalt untergeht. Der Vergleich zeigt, wie unterschiedlich weibliche Figuren dargestellt werden können, je nach literarischem Kontext und gesellschaftlicher Aussageabsicht des Werks.

MIA: Auch hier hätten wir einen anderen Akzent gesetzt, nämlich abschließend noch einmal festgestellt, dass sowohl Eve als auch Marie Ansätze von Autonomie zeigen. Bei Eve ist es ihr selbstbewusster Umgang mit Ruprecht und schließlich auch mit dem Richter, bei Marie ist es ihr zwar wohl wenig durchdachter, aber immerhin gegebener Ausbruchsversuch in Richtung Tambourmajor und schließlich die fatalistische Annahme ihres Schicksals.

Letztlich ist es nur die krankhafte Seite Woyzecks, die ihn daran hindert, seine kluge Einsicht in die Möglichkeiten armer Leute, sich moralisch zu verhalten (im Gespräch mit dem Hauptmann), auch auf Marie zu erstrecken.

„Schnittpunkt von Notwendigkeiten“

Wir hatten diese Formulierung wie gesagt im Zusammenhang mit Tragik im Gedächtnis, wussten aber nicht mehr genau, woher sie stammt.

Deshalb haben wir ChatGPT gefragt – mit zwei interessanten Hinweisen:

Unsere Frage:
Woher stammt die Formulierung von Tragik als Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten?

Die Antwort von ChatGPT (in Kursivschrift)

Die Formulierung von Tragik als Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten stammt aus der klassischen Tragödientheorie und ist eng mit den Gedanken von Friedrich Schiller und Georg Wilhelm Friedrich Hegel verbunden.

Schiller:

Schiller behandelt das Wesen der Tragödie in seinem Essay „Über das Pathetische“ (1793). Hier stellt er die Idee vor, dass Tragik entsteht, wenn ein Konflikt zwischen zwei gleichwertigen, unauflösbaren moralischen oder existenziellen Notwendigkeiten entsteht. Es geht dabei um die innere Freiheit des Menschen, die sich im Widerstreit von äußeren Zwängen zeigt.

Hegel:

Hegel hat in seinen Vorlesungen zur Ästhetik die Tragödie noch systematischer analysiert. Für ihn ist die Tragik der Ausdruck eines Konflikts zwischen zwei sittlichen Mächten, die beide berechtigt, aber unvereinbar sind. Ein klassisches Beispiel ist die Tragödie „Antigone“ von Sophokles: Hier prallen die Notwendigkeit des göttlichen Rechts (Antigones Pflicht gegenüber ihrem Bruder) und die Notwendigkeit des staatlichen Rechts (Kreons Gesetz) aufeinander.

Hegel beschreibt diesen Konflikt als Kollision von zwei Rechten, die beide universelle Ansprüche haben, sich jedoch gegenseitig ausschließen. Gerade diese Unvereinbarkeit macht die Tragik aus: Egal welche Seite gewählt wird, es führt immer zu einem tragischen Ausgang.


Die Idee lässt sich zusammenfassen: Tragik entsteht im Spannungsfeld zwischen zwei unvermeidlichen, aber unversöhnlichen Notwendigkeiten. Sie ist Ausdruck der menschlichen Begrenztheit im Angesicht widersprüchlicher Ansprüche.

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