Was verbindet die Romantik mit dem Expressionismus? (Mat679)

Worum es hier geht:

  • Literarische Epochen haben ihre Eigentümlichkeiten.
  • Aber die sind natürlich nicht auf die jeweilige Zeit beschränkt.
  • Dasselbe gilt ja auch für Kleidermode – die Trends können wiederkommen, wenn auch in etwas veränderter Form.
  • Vor diesem Hintergrund vergleichen wir mal die beiden Epochen „Romantik“ und „Expressionismus“.
Hier zunächst ein Schaubild
Anmerkungen zu dem Schaubild
  • Die linke Hälfte beschreibt die Romantik mit ihren Voraussetzungen und Kennzeichen.
    • Ganz links die aus Sicht der Romantiker „negativen“ Voraussetzungen: Aufklärung, Französische Revolution und Industrialisierung. Man könnte noch den Zerfall des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ und damit der alten Kaiserherrlichkeit hinzunehmen.
    • Darüber die positiven Quellen der Romantik: Sturm und Drang, Empfindsamkeit und die englischen Schauerromane. Man könnte noch die Ich-Philosophie Fichtes hinzunehmen.
  • Kennzeichen der Romantik
    • Vorherrschaft der Gefühle gegenüber der Vernunft
    • Romantisierung der Welt
    • Mehrdeutigkeit und Ironie
    • Akzeptanz des Fragmentarischen
    • eine gewissse Risikobereitschaft und Abenteuerlust
    • Interesse an Geschichtlichkeit einschließlich der Volkslieder und der alten Bauwerke bzw. Ruinen
    • Individualismus und Subjektivität
    • Oben aufgesetzt ist der Bereich von Sehnsucht und damit verbundener Transzendenz, was sich in vielen Fällen in katholischer Kirchengläubigkeit äußerte.
  • Die rechte Hälfte beschreibt den Expressionismus mit seinen Voraussetzungen und Kennzeichen.
    • Zu den Problementwicklungen, die den Expressionismus befördert haben, gehört die mit Darwin verbundene Infragestellung der Sonderstellung des Menschen, Freud und seine Infragestellung der Herrschaft der Vernunft, Einstein und die Relativierung von Zeit und Raum, wenn das zeitlich auch eher in die Endphase der Epoche gehört. Deshalb sollte man hier noch die mechanistische Vorstellung der Welt als einer ungeheuren Maschine hinzunehmen, die das Denken des 19. Jhdts. beherrschte.
    • Auf jeden Fall gehören der Ich-Zerfall und die Skepsis gegenüber der Sprache noch dazu.
    • Schließlich kommen noch der Wettstreit der Großmächte und ihr Wettrüsten dazu.
    • Zu den „positiven“ Quellen gehören der Rückgriff auf die Sturm-und-Drang-Zeit und der auf die Romantik. Ansatzweise könnte man auch die soziale Bewegung noch hinzunehmen.
  • Kennzeichen des Expressionismus
    • Mensch als Massenwesen
    • als Objekt einer Maschinenwelt
    • Versuch des Ausbruchs aus Monotonie
    • Ästhetik des Hässlichen
    • Romantisierung der eigenen Gefühle mit Hilfe konnotativer/verfremdeter, z.T. extremer Elemente der Wirklichkeit, Montagetechnik
    • eigenwilliger Umgang mit Sprache
    • Sehnsucht nach einem neuen Menschen, einer neuen Welt
    • Bereitschaft zur Annahme eines Weltendes, Apokalypse
    • z.T. als Durchgangsstadium zu einer besseren Welt
    • Revolutionsbegeisterung
    • z.T. auch Kriegsbereitschaft – Krieg als „Stahlbad“
Vergleich der beiden Epochen
  1. Sowohl die Romantik als auch der Expressionismus sind Antworten auf Krisenzeiten:
    1. Bei der Romantik
      • war es die zunehmende Rationalität im Gefolge der Aufklärung
      • und dann der anlaufenden Industrialisierung.
    2. Beim Expressionismus
      • war es die zunehmende Infragestellung aller Sicherheiten etwa im Bereich der Identität und des Weltverständnisses
      • bei gleichzeitiger Intensivierung des Prozesses der ökonomischen und sozialen Modernisierung.
  2. In beiden Epochen spielen Gefühle eine große Rolle,
    1. im Expressionismus werden sie noch intensiver, zum Teil provozierend präsentiert.
    2. Während die Romantik sich um „Romantisierung“ der Außenwelt bemüht, d.h. das real Vorhandene wird in ein zauberhaft-mehrdeutiges Licht gehüllt („Schläft ein Lied in allen Dingen“),
    3. kann man beim Expressionismus von einer Romantisierung der Gefühle sprechen: Die sind real und werden durch zum Teil extreme Montage von Elementen der Außenwelt ausgedrückt. Für den Leser der Gedichte bedeutet das, dass er die Bilder nicht zum Nennwert nehmen darf, sondern nach den dahinter stehenden Gefühlen suchen muss. („Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei.“)
  3. Zielvorstellungen
    1. In der Romantik spielte die Sehnsucht eine entscheidende Rolle. Konkret konnte das die himmlische Heimat sein, viele Romantiker wendeten sich ja dem Katholizismus zu.
    2. Bei den Expressionisten ergab sich ein komplexeres Bild: Berühmt sind die beiden „Weltende“-Gedichte von van Hoddis und Lasker-Schüler. Besonders bei letzterer war das aber eher ein Durchgangsstadium zu einer neuen, besseren Welt. Das lässt sich dann vergleichen mit den Gedichten, die auf revolutionäre Selbstbefreiung und Änderung der Gesellschaft setzten. Auch dort sollte der Umsturz ja der Beginn von etwas Neuem, Besserem sein.
    3. Insgesamt richtete sich die Romantik eher auf Transzendenz, also Überweltliches, im Expressionismus ging es eher um Innerweltliches, sei es die Veränderung der Gesellschaft oder auch die persönliche Bewährung in extremen Situationen wie zum Beispiel im Krieg.
  4. Mut zum Risiko
    1. Sowohl in der Romantik wie im Expressionismus gab es die Bereitschaft, sich auf das Unbedingte einzulassen und dabei auch Risiken in Kauf zu nehmen. Bei letzteren sprachen wir schon von einer gewissen Begeisterung für den Krieg, der als große Bewährungsprobe oder auch reinigendes Stahlbad verstanden wurde.
    2. Berühmt ist in dieser Hinsicht das Gedicht „Frische Fahrt“  von Eichendorff. In der zweiten Strophe heißt es: “ Auf dem Strome will ich fahren, / Von dem Glanze selig blind! / Tausend Stimmen lockend schlagen, / Hoch Aurora flammend weht, / Fahre zu! Ich mag nicht fragen, / Wo die Fahrt zu Ende geht!
  5. Die dunklen Seiten
    1. Eine der Quellen der Romantik sind ja die Schauerromane aus England – besonders bei E.T.A. Hoffmann geht es auch in diese Richtung („Der Sandmann“). Ganz allgemein spricht man von der auch vorhandenen „Nachtseite“ der Romantik
    2. Im Expressionismus denkt man vor allem an die Morgue-Gedichte Gottfried Benns. Interessante Informationen dazu gibt es zum Beispiel hier.
Weitere Seite zum Thema

https://textaussage.de/die-epochen-der-romantik-und-des-expressionismus-in-der-literaturgeschichte

Beispiel-Gedichte

https://schnell-durchblicken.de/was-verbindet-die-romantik-mit-dem-expressionismus

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