Gedichtinterpretation: Wie die künstliche Intelligenz einen auf „tolle“ Ideen bringt ;-) (Mat8733)

Worum es hier geht:

Wir freuen uns, dass es mit der KI inzwischen eine Informationsquelle geht, die Recherche mit den Ansätzen von gutem Rat verbindet.

Aber es kommt noch hinzu, dass man im Austausch mit der KI auch auf Ideen kommt, an die die KI gar nicht gedacht hat. Aber MIA, die menschliche Intelligenz in Aktion, denkt eben einfach weiter 😉

Ausgangspunkt ist eine Strophe aus dem Gedicht „Am Turme“ von Annette von Droste-Hülshoff:
Behandelt haben wir das Gedicht hier.
https://schnell-durchblicken.de/klausur-interpretation-droste-huelshoff-am-turme
Zu finden ist es zum Beispiel hier.

  1. Ich steh auf hohem Balkone am Turm,
  2. Umstrichen vom schreienden Stare,
  3. Und laß gleich einer Mänade den Sturm
  4. Mir wühlen im flatternden Haare;
  5. O wilder Geselle, o toller Fant,
  6. Ich möchte dich kräftig umschlingen,
  7. Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
  8. Auf Tod und Leben dann ringen!

Da steht also um 1840 herum eine Frau auf einem Turm, wahrscheinlich einer Burg oder eines Schlosses, und hat recht deutliche Wünsche nach Freiheit und Abenteuer bis hin zur Lebensgefahr.

Bei zwei Begriffen könnte man ein Lexikon nehmen, warum nicht Bing/Copilot nehmen, wo uns Informationen bereits aus gewertet werden – aber mit Quellenangabe – ganz wichtig.

Wir lassen das hier wie immer MIA, also die „Menschliche Intelligenz in Aktion“ auswerten.

  1. „Mänaden“ waren die weiblichen Begleiterinnen des griechischen Weingottes „Dionysos“ – und der Begriff hat etwas mit „Raserei“ zu tun bzw. mit Wahnsinn. Bekannt waren sie für ihre „ekstatischen Tänze und wilden Rituale“.
    Damit merkt man schon, wie weitgehend die Wunschträume dieses lyrischen Ichs, wahrscheinlich einer Frau, gingen.
  2. Während wir hier schon einiges wussten und von der KI nur bestätigt wurden, ging es dann beim Wort „Fant“ für uns richtig ab – in Richtung neue Erkenntnisse: Deshalb fügen wir hier mal den Originalwortlaut der KI ein (in kursiver Schrift). Unsere Auswertung eingerückt.
    • Das Wort “Fant” hat eine interessante etymologische Herkunft. Es wurde im 18. Jahrhundert aus dem Italienischen entlehnt. Dort bedeutete “fante” so viel wie “Knabe”, “Jüngling” oder “Diener”. Die italienische Bezeichnung geht wiederum auf das lateinische Wort “īnfāns” zurück, das “Kind” bedeutet.
      • Hier waren wir erst mal ein bisschen erstaunt, weil wir damit nicht gerechnet hatten, obwohl wir das Wort Infant für den Königssohn in Spanien aus „Don Carlos“ kannten.
      • Dann aber kamen wir auf den Gedanken, dass das lyrische Ich sich hier über diesen Begriff Rückkehr in die Kindlichkeit wünscht – mit den entsprechenden wilden Spielen u.ä.
    • Interessanterweise leitet sich “īnfāns” von “fārī” ab, was “sprechen” bedeutet. Der Begriff “īnfāns” bezieht sich ursprünglich auf ein Kind, das noch nicht sprechen kann.
      • Hier dachten wir zunächst: Na ja, mit so einem Kind kann das lyrische Ich doch wohl nicht viel anfangen.
      • Aber Vorsicht: Wenn man sich mit Sprache auskennt, weiß man, wie sehr die das Denken beeinflusst. Hier ist also möglicherweise eine Phase der Entwicklung gemeint, wo man das „höfliche“ oder auch „höfische“ Sprechen noch nicht beigebracht bekommen hat. Also eine sehr originelle Erweiterung der Beschreibung einer Wildheit vor der Erziehung.
    • Die Verbindung zwischen “Fant” und “īnfāns” mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, aber sie verdeutlicht die Entwicklung der Bedeutung im Laufe der Zeit. Ursprünglich bezeichnete “Fant” einen unreifen, eitlen jungen Mann – ähnlich einem Kind, das noch nicht sprechen kann.
      • Hier zeigt sich die KI richtig nachdenklich. Für uns interessant ist, dass von einem „unreifen“ Mann die Rede ist, das passt zu den Überlegungen weiter oben.
    • Im Laufe der Zeit erhielt der Begriff jedoch eine abwertende Konnotation und wurde für leichtfertige, wenig ernst zu nehmende Personen verwendet.
      • Jetzt ist der Kreis geschlossen: Dieses Gedicht präsentiert also eine Vorstellung von „Unreife“, die nicht abwertend gemeint ist. Sie bedeutet eben, dass man noch nicht in die Schranken der Gesellschaft eingepasst worden ist.
  3. Nun zum Schluss noch mal die ganze Zeile:
    „O wilder Geselle, o toller Fant“

      • Das lyrische Ich möchte als Frau das gebundene Haar wie die Begleiterinnen des antiken Orgien-Gottes Dionysos flattern lassen. Es dürfte kein Geheimnis sein, in welchen Situationen Frauen das Haar gewissermaßen frei fallen lassen – sonst einfach mal nachfragen, wenn man als männlicher Teil der Gesellschaft nicht drauf kommt.
      • Nun zu der Zeile, in der es um die männliche Begleitung geht:
        Diese Frau möchte erst mal einen Gesellen, also einen, mit dem sie etwas Wildes unternehmen kann. Dementsprechend soll dieser Mensch genau diese Eigenschaft haben.
      • Dann möchte es einen „Gesellen“, der noch ausreichend kindlich ist, sich also nicht in erster Linie um die Frage kümmert: „Dürfen wir das?“ „Was kann passieren?“
      • Außerdem soll er „toll“ sein – und das hieß früher soviel wie verrückt. Man denke an die „Tollwut“ als negatives Krankheitsbeispiel bei Tieren.
  4. Und weil es so schön ist, gehen wir noch kurz auf den Schluss der Strophe ein, ganz ohne KI:
    Ich möchte dich kräftig umschlingen,
    Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
    Auf Tod und Leben dann ringen!

      • Hier geht es also um Körperlichkeit, etwas zwischen Kampf und Umarmung.
      • Dabei geht es um äußerste Anstrengung
      • und die Bereitschaft, bis an den Rand des Möglichen zu gehen,
      • alles auf eine Karte zu setzen – bis hin zum Einsatz des Lebens.

Glücklicherweise gibt es ja auch Varianten eines solchen Ringens, die nicht lebensgefährlich sind, aber vielleicht Ärger einbringen.

Auf jeden Fall wird deutlich, dass dieses Gedicht schon in dieser Strophe Züge der Romantik enthält. Man denke etwa an Eichendorffs „Frische Fahrt“ – in unserer Sammlung:
„Aufbruch bis hin zum Risiko – man könnte hier auch sagen: „Ausbruch“
https://textaussage.de/gedichte-romantik-thema-aufbruch-risiko

Erst in der Schluss-Strophe bricht dann dieser wilde Wunschtraum zusammen – typisch wahrscheinlich für aktive, selbstbewusste Frauen in der Zeit des Biedermeier. Aber wohl dem, der sich wenigstens einen Platz auf dem Turm bewahrt, wo er heimlich alles lösen kann, was einen beengt.

Wär ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!

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