Lesetagebuch zu Jenny Erpenbeck, „Heimsuchung“ (Mat8630-00)

Worum es hier geht:

Zunächst ein paar Vorbemerkungen. Schließlich möchte man wissen, womit man es zu tun hat.

Wer sich dafür nicht interessiert, sondern nur für das Lesetagebuch, findet es weiter unten nach diesem kleinen Schaubild:

Wenn man Bing/Copilot mal fragt, worum es in Jenny Erpenbecks Roman „Heimsuchung“ geht, bekommt man folgende Antwort und ist gleich ganz begeistert.

Kursiv haben wir die Original-Antwort formatiert. Eingerückt dann unsere MIA-Anmerkungen („Menschliche Intelligenz in Aktion“).

In Jenny Erpenbecks Roman “Heimsuchung”begleiten wir das Leben und Leid der Bewohner eines Ferienhauses am Scharmützelsee in Brandenburg. Das Haus, mit seinen Generationen von Besitzern, Mietern, Angestellten, Gästen, Besatzern und wieder neuen Besitzern, wird Zeuge der Weimarer Republik, des Dritten Reichs, des Kriegs und dessen Ende, der DDR, der Wende und der Zeit nach der Wende.

  • Der Scharmützelsee hat uns weniger interessiert.
  • Dafür umso mehr das Versprechen, dass man einen Überblick über die deutsche Geschichte von der Weimarer Republik bis zur Zeit nach der sogenannten „Wiedervereinigung“ bekommt.
  • Das wäre doch mal eine schöne Voraussetzung für eine Zusammenarbeit der Fächer Deutsch und Geschichte – als Schüli profitiert man ggf. doppelt.

Die Geschichten der fünfzehn Lebensläufe ranken sich um dieses Haus und bilden eine literarische Spurensuche von stupender Wucht.

  • An das Wort „stupend“ gehen wir immer nur sehr vorsichtig ran, denn es erinnert uns an „stupid“.
  • Aber auf der folgenden Seite wird man auf die wirkliche bedeutung hingewiesen:
    Das Wort komme vom spätlateinischen „stupendus „. Das heißt soviel wie
    „erstaunens-, bewundernswert“.
    Das lateinische Verb stupēre bedeutet sogar „starr, verblüfft, betäubt sein“
    Wow, da waren wir natürlich auch „betäubt“ vor lauter Vorfreude und haben uns den Roman gleich in der Kindle-Version heruntergeladen.
    https://www.dwds.de/wb/stupend

Jedes Schicksal erhält eine eigene literarische Form, entfaltet auf ganz eigene Weise seine Dramatik, Tragik und sein Glück. Zusammen bilden sie ein kollektives literarisches Gedächtnis des letzten Jahrhunderts,

  • Herrlich, Vielfalt wird angeboten – immer gut, wenn einem der eine oder andere Schreibstil nicht gefällt.
  • Am Ende dann noch mal das Versprechen, dass man mit diesem Roman eine Art Verständnis-Flat des 20. Jhdts. hat.

geformt in einer Literatur, die nicht nur großartige Sätze und Bilder bietet, sondern auch Wunden reißt, verstört, beglückt, verunsichert und versöhnt. Jenny Erpenbeck gelingt mit diesem Buch ihr Meisterstück.

  • Nun auch noch das: „großartige Sätze und Bilder“ sind natürlich schön.
  • „Wunden“ werden in der Welt genug gerissen, brauchen wir eigentlich nicht,
  • Auch die Verbindung von „beglückt“ und „verunsichert“ irritiert uns etwas.
  • Hoffen wir also, dass wir am Ende „versöhnt“ sind.
  • Und Jenny Erpenbeck gratulieren wir gerne nachträglich zu ihrem „Meisterstück“.

Das Ganze klingt aber ziemlich nach Werbetext – schauen wir also mal, welche Quelle Bing/Copilot angibt:
Aha, es ist Amazon und zwar am 20.3.24 hier:
https://www.amazon.de/Heimsuchung-Roman-Jenny-Erpenbeck/dp/3821857730

Unser Lesetagebuch-Ansatz:

Wir wollen einfach mal ausprobieren, wieviel von dieser Beurteilung übrig bleibt, wenn man den Roman wirklich liest.

Dazu erstellen wir ein Lesetagebuch der besonderen Art:

  1. Zunächst einmal beantworten wir für die einzelnen Kapitel die typische Lehrerfrage:
    Worum geht es in dem Kapitel?
    und
    Was zeigt dieses Kapitel?
  2. Außerdem wollen wir die hoffentlich weiter bestehende Begeisterung dadurch unterstützen, dass wir Fragen und mögliche Diskussionspunkte formulieren – als Anregung für die Besprechung im Unterricht.
    Das ist eine wichtige Ergänzung zu dem, was in Hilfsmaterialien für Lehrkräfte so vorgeschlagen wird.

Nun zu unserem Lesetagebuch
  • Es hilft hoffentlich allen,
    • sich schnell im Roman zurechtzufinden
    • und vor allem sich eine eigene Meinung zu bilden.
    • Und das Schönste: In einem Tagebuch darf man auch ein bisschen persönlich werden – natürlich ohne zu übertreiben, denn vielleicht will es die Lehrkraft sehen – und der wollen wir ja nicht zu viel zumuten.
  • Die EB-Seiten-Angaben beziehen sich auf die E-Book-Ausgabe, die wir in der Kindle-Version bei Amazon erstanden haben.
    Als Quelle wird dort genannt:
  • “ – Heimsuchung: Roman von Jenny Erpenbeck
    https://amzn.eu/emQkuTZ
  • Vorteil der E-Book-Version:
    In den dunklen Zonen des Romans kann man wenigstens den Bildschirm heller stellen.
  1. Prolog: „Bei so viel Eis wird einem ganz kalt“
    • Wenn man anfängt, den Roman zu lesen, ist man doch ein bisschen erstaunt, worum es im Prolog geht.
    • Wenn es da eigentlich nur um ein Felsmassiv geht und Eisbewegungen in den letzten 24.000 Jahren, dann fragt man sich schon, was das mit der deutschen Geschichte zwischen der Weimarer Republik und dem Ende der DDR zu tun hat.
    • Auf jeden Fall wird dann am Ende deutlich, dass es um ein „Märkisches Meer“ geht. An dem soll der ganze Roman ja auch spielen. Aber das hätte man vielleicht auch in einem Satz sagen können.
    • Man darf schon nicht sehr ermüdet sein, sonst übersieht man das wahrscheinlich einzige wichtige Signal dieser ersten Seiten: Es geht nämlich um „Verwüstung„.
    • Und während man umblättert, hat man den Eindruck, die Verwüstung sei vor allem in einem selbst entstanden, denn man hätte sich vorher nie vorstellen können, dass so viel Eis etwas mit der Sahara zu tun haben könnte.
    • Vielleicht hat die Autorin vergessen, das Wort Eiswüste einzubauen.
    • Jedenfalls fühlt man sich am Ende des Prologs genauso bedrückt wie das Feldmassiv, es ist einem eiskalt geworden und man hofft, dass die nächsten Kapitel einen etwas erwärmen und zweitens endlich etwas mit uns heute zu tun haben.
  • Der Gärtner (EB8): Jetzt wird es menschlich und geheimnisvoll
    • Im ersten Gärtner-Zwischen-Kapitel präsentiert der Roman sich dann doch ein bisschen in normaler Erzählform.
    • Es wird sogar etwas geheimnisvoll, denn es geht um einen Mann, der viel kann, von dem man aber so gut wie nichts weiß. Er hat nicht mal einen Namen.
    • Übrigens könnte so auch eine Kurzgeschichte beginnen, direkter Einstieg und vielleicht später ein Wendepunkt.
  • EB9-17 „Der Großbauer und seine vier Töchter“
    Viel Tradition – und wenig „Geschichte“
  • Hier war ich froh, dass bei uns in der Familie demnächst niemand heiraten will. Denn so viel Abschreckung war nie.
  • Zwar beziehen sich die gefühlt 1000 Hochzeitsrituale alle auf eine etwas unbekannte Vergangenheit, aber der eine oder die andere könnte doch anfangen, auch heutige Rituale infrage zu stellen und dann wird vielleicht aus der Hochzeit nichts. 😉
  • Auf jeden Fall freut man sich, dass auf Seite 9 dann von so viel „Flocken Schnee“ die Rede ist. Und das anschließende „Ach und Weh „entspricht vielleicht der eigenen Seelenlage beim Lesen.
  • Wo es spannend werden könnte, auf Seite 10 – immerhin sind vier Töchter im Angebot – , muss man leider feststellen, dass die Autorin wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgegangen ist, etwas Spezielles mehr vor unseren Augen aus zubereiten, als wir gerne hätten.
  • Denn ab Seite 13 geht es nur noch um Klara, Die scheint von Anfang an nicht ganz dicht im Kopf zu sein, denn auf Seite 14 bereits lässt sie einen unbekannten Fischer für damalige Verhältnisse wohl zu sehr an sich ran.
  • Ab Seite 16 zeigt sich dann endgültig, dass sie sich nicht mehr normal verhalten kann und wahrscheinlich war es für sie und ihre Familie genauso eine Erlösung wie für den Leser, dass schließlich auf Seite 19 ihr Leichnam gefunden wird.
  • Die Autorin lässt es sich natürlich nicht nehmen, gleich noch die Rituale aufzuzählen, die bei einem Todesfall zu beachten sind.
  • Was einem auffallen kann, der guten Geschichtsunterricht hatte: Auf Seite 19 geht es endlich um die deutsche Geschichte, wenn auch nur in einem Relativsatz.
  • Dort taucht nämlich das Wort „Ortsbauernführer“ auf und der letzte Wortbestandteil macht schon deutlich, dass es hier um die Zeit geht, in der Deutschland mal einen Führer hatte, der es ins Verderben führte.
  • Wir wollen diese Vorstellung aber hier jetzt nicht zu sehr auf unseren Leseprozess beziehen 😉

Wir setzen das hier noch gerne fort – es fängt nämlich an Spaß zu machen.

Aber erst mal müssen wir uns um die harten Anforderungen kümmern, nämlich die Erleichterung der Aufgabe, diesen Roman wirklich zu lesen.

Auf der folgenden Seite stellen wir ein Video vor, das einem einen schnellen und möglichst schmerzfreien Einstieg in den Roman erleichtern soll. Dort gibt es dann auch Hinweise auf das, was nach den ersten Seiten kommt.
https://schnell-durchblicken.de/video-schneller-einstieg-roman-heimsuchung

Weitere Infos, Tipps und Materialien