Klausur: Analyse und Stellungnahme einer Verteidigung des Dramas „Nathan der Weise“ (Mat8582-kl)

Worum es hier geht:

Wir selbst vertreten ja eine recht kritische Position gegenüber Lessings Drama „Nathan der Weise“.

Umso wichtiger ist es, auch eine andere Stimme zu hören. Leider hat sich niemand offen zu einer Diskussion bereit erklärt – und so haben wir auf einen Romanauszug von Anders Tivag zurückgegriffen, der einen solchen Versuch einer Verteidigung enthält.

Wir präsentieren das hier als mögliche Klausuraufgabe, weil so etwas ja meistens zu maximalen Anstrengungen führt.

Und dabei wollen wir gerne behilflich sein, damit die „Wahrheit“ am Ende siegt.

Aufgabenstellung:

Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Roman „Et si omnes“ von Anders Tivag.

Für die Lösung der Klausuraufgaben reicht es aus, diesen Text einfach als argumentativen Sachtext zu analysieren und dann kritisch dazu Stellung zu nehmen.

Informationen zum Kontext dieses Textes gibt es hier:
https://schnell-durchblicken.de/anders-tivag-wie-theobald-von-schnurz-lessings-nathan-der-weise-verteidigte
Ihre Kenntnis und Verarbeitung ist aber für die Lösung der Aufgaben nicht notwendig.

  1. Analysieren Sie den Text, als würde es sich dabei um einen normalen argumentativen Sachtext handeln, der am 9.3.2024 in der fiktiven Zeitung „Klarfurter Tagblatt“ erschienen ist.
    Als Autor nehmen wir die fiktive Romanfigur, einen Lehrer, dessen Schülerinnen und Schüler bei einer Internet-Recherche fast nur negative Einschätzungen des Romans gefunden haben – denen soll nun etwas zum Ausgleich entgegengesetzt werden.
  2. Nehmen Sie nach der Herausarbeitung der Position des Verfassers Stellung dazu – vor dem Hintergrund der Unterrichtsergebnisse und eigener Überlegungen.

Hier die Druckvorlage.
Mat8582 Anders Tivag, Romanauszug Verteidigung Nathan
Darunter eine Vorschau.

Anders Tivag

 Wie Theobald von Schnurz einen Klassiker verteidigte

Er war es endgültig leid. Nun unterrichtete er schon mehrere Jahre an einem Privatgymnasium im bayerischen Alpenvorland und hatte viele beglückende Erfahrungen machen dürfen beim Umgang mit jungen, strebsamen Leuten.

Aber die Zeiten änderten sich offensichtlich, immer häufiger sah er kritische Blicke oder es wagte sich sogar Widerspruch hervor, wenn er die abendländische Kultur und ihre großen Geister verteidigte.

Er überlegte kurz, ob er sicherheitshalber auch die „Geisterinnen“ berücksichtigen sollte – aber er ließ es dann doch lieber. So weit war die Geschlechtervielfalt anscheinend doch noch nicht fortgeschritten.

Andererseits: War er nicht auch für Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung? Aber er beschloss, das erst mal zurückzustellen und sich seinem aktuellen Haupt-Anliegen zuzuwenden.

Am Tag vorher hatte er sich nicht so wohl gefühlt und deshalb beschlossen, mit seinem Grundkurs Deutsch auch einmal den sogenannten Informatikraum aufzusuchen. Dort hatte er ein Arbeitsblatt ausgeteilt, auf dem die Schüler und Schülerinnen im Internet vorhandene Rezensionen im Hinblick auf Lessings Meisterwerk „Nathan der Weise“ auswerten sollten.

Sein Unwohlsein hatte sich verstärkt, als an einzelnen Arbeitsplätzen – erst zaghaft und dann immer stärker – Gelächter aufkeimte. Dann sammelten sich Schülergruppen sogar um einzelne Rechner. Als er sich zu ihnen gesellte, sah er auf dem Bildschirm eine Liste von Punkten, was in Lessings Werk alles unstimmig beziehungsweise fragwürdig wäre. Er beschloss, am Ende der Stunde, die Arbeitsblätter einzusammeln. Dann konnte er in aller Ruhe – soweit nötig – möglicher Kritik entgegenwirken.

Jetzt hatte er die Zettel ausgewertet und beschlossen, sich in der Schule erst mal krank zu melden. Was er hatte lesen müssen, grenzte an kulturellen Hochverrat. Man hatte sich nicht einmal davor gescheut, aus irgendwelchen sozialen Netzwerken – so hieß das wohl – regelrecht bösartige, ja in einem Fall sogar blasphemische Bemerkungen mit aufzunehmen.

Der Eindruck, dass dagegen massiv, aber auch klug vorgegangen werden müsste, verstärkte sich bei ihm. Also beschloss er, eine Variante des Parabeltricks anzuwenden, indem er seine Sicht der Dinge nicht direkt – gewissermaßen ex cathedra –  vortrug, sondern einen Text aus der aktuellen Zeitung mitbrachte. Wozu kannte er Redakteur Schrotenkorn vom Klarfurter Tagblatt, dessen Vorläufer bis auf das frühe 19. Jahrhundert zurückging.

Es kostete ihn eine Flasche von seinem fantastischen Lieblingswein aus der Toskana und das Versprechen, bis 18:00 Uhr fertig zu sein, um eine aktuelle Rezension zur kulturellen Lage an unseren Schulen auf den medialen Weg zu bringen.

Vorbei waren alle Schmerzen, sein Geist nahm Fahrt auf und setzte zu einem regelrechten Höhenflug an.

Am Ende war ein kleines Meisterwerk entstanden, das sicher geeignet war, dem aktuellen Negativtrend entgegenzuwirken. Schon eine halbe Stunde vor Toresschluss war die Mail abgeschickt und auch bestätigt worden. Jetzt konnte er sich in Ruhe mit einem Ausdruck seines intellektuellen Gegenangriffs ins Bett zurückziehen und sich der Genesung hingeben.

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