Lars Krüsand, „Wie man sich (k)ein Beispiel an großen Vorbildern nimmt“ (Mat5308-bbv)

Worum es hier geht:

Die Kurzgeschichte hilft, sich Gedanken zu machen, wie man sich am besten von der KI unterstützten lässt – und wo es nicht so sinnvoll ist.

Hier die Druckvorlage:

Mat5308-bbv Beispiel berühmte Vorbilder Lars Krüsand

Und hier das Bild, das die Geschichte ausgelöst hat.

Lars Krüsand,

Wie man sich ein Beispiel an großen Vorbildern nimmt

– oder auch nicht 😉

An diesem Morgen war Jojo ungewöhnlich gut gelaunt. Schon beim Frühstück fiel es seinem Vater auf.
„Jojo, was ist los? Kein Gejammer, kein ‚Warum muss ich zur Schule?‘ – hast du etwa heute Heimvorteil?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
Jojo grinste und zuckte die Schultern. „Ich werde heute wahrscheinlich einen historischen Sieg erringen. Und heute Abend erzähl ich dir, wie’s ausgegangen ist.“
Der Vater hob die Tasse, als würde er anstoßen. „Na dann viel Glück – ich bin gespannt.“
Dritte Stunde. Deutsch. Thema: Interpretation eines Gedichtes. Der Lehrer fragte nach Freiwilligen. Jojo hob die Hand. Stille. Verwunderte Blicke.
Er trat nach vorn, hielt ein Blatt Papier in der Hand – und begann zu lesen. Die Sprache: gehoben, präzise, etwas zu glatt. Nach wenigen Sätzen lachte jemand leise. Dann ein Gekicher.
„Das ist doch wieder aus dem Internet!“, rief jemand aus der dritten Reihe.
Der Lehrer hob die Hand. „Moment. Jojo, hast du das selbst geschrieben?“
„Klar nicht“, sagte Jojo entspannt und hielt ein zweites Blatt hoch – das Bild von Michelangelo und seinen Malergehilfen, das ihn am Vortag im Geschichtsunterricht so beeindruckt hatte. „Ich hab ChatGPT gesagt, was es tun soll – wie ein Meister seinem Gehilfen. Wo ist das Problem?“
Der Lehrer nahm das Bild, schaute es an. „Soso Michelangelo, dieser berühmte Maler der Renaissance. Stimmt, der hat nicht alles selbst gemalt, sondern überließ leichtere Aufgaben seinen Gehilfen. Interessanter Vergleich.“ Dann drehte er sich zur Klasse. „Was meint ihr – passt das Bild? Oder nicht?“
Kurzes Schweigen. Dann meldete sich Lea. „Michelangelo wusste, wie es aussehen soll. Er hat es sich ausgedacht. Die Gehilfen haben nur ausgeführt.“ Und dann die entscheidende Frage: „Was hat denn Jojo jetzt eigentlich gemacht?
– Darauf die selbstbewusste Antwort: „Je besser die Prompt-Anweisung – desto besser das Ergebnis. Wie bei Michelangelo und seinen Gehilfen.
Der Lehrer lächelte: „Du hättest vielleicht doch besser im Geschichtsunterricht aufpassen müssen – eine Zeichnung mitzunehmen reicht nicht.“
Dann wandte er sich an die Klasse: „Woran hat Jojo bei seinem schönen Vergleich nicht gedacht?“

Als er dann aufgefordert wurde, seine Prompt-Anweisung vorzulesen, wusste er, dass er verloren hatte. Hoffentlich fragte sein Vater heute Abend nicht nach seinem Sieg. Er würde den Rest des Tages wohl damit verbringen, eine möglichst gute Erklärung für die Lücke zwischen Michelangelo und ihm zu finden.

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