„Marquise von O….“ – Abiturkonzentrat: Konzentriertes Wissen auf einen Blick (Mat1217)

„Abiturkonzentrat“ – was ist das für uns?

Wir verstehen unter einem „Konzentrat“ einen knappen Überblick über die wichtigsten Dinge, die man zu einem Thema wissen sollte. Ziel ist, gewissermaßen ein „inneres Bild“ im Kopf zu haben, auf das man in Klausuren und vor allem in mündlichen Prüfungen zurückgreifen kann. Übersicht über die verschiedenen Aspekte der Novelle, auf die man im Unterricht oder natürlich auch in einer Prüfung eingehen könnte. Man kann jeweils mit Hilfe der Suche zu dem entsprechenden Punkt springen.

Überblick über die einzelnen Punkte des Konzentrats

Hier schon mal eine Vorab-Übersicht. Man kann über die Suchfunktion leicht zu den einzelnen Punkten springen.

  1. Entstehungszeit der Novelle
  2. Besonderheiten von Novellen (Gattung), dabei auch Frage, inwieweit diese Novelle wirklich die „kleine Schwester des Dramas“ ist
  3. Thema der Novelle
  4. Funktion der Abkürzungen
  5. Historischer Ort der Handlung
  6. Aufnahme des Werkes, Rezeption
  7. Inhalt und Handlung – wo ist der Unterschied?
    1. Erster Teil der Novelle. Bis zum ersten Heiratsantrag des Grafen F.
    2. Zweiter Teil der Novelle: Schwangerschaftsskandal während der Abwesenheit des Grafen
    3. Dritter Teil der Novelle: Entwicklung nach der Rückkehr des Grafen
    4. Vierter Teil der Novelle: Das Geständnis des Grafen und die eingeschränkte Heirat
    5. Fünfter Teil der Novelle: Langsame Annäherung, normale Ehe und Klärung des Verhaltens der Marquise nach dem Bekenntnis des Grafen
  8. Thematische Aspekte
    1. Figurenkonstellation
    2. Charakterisierung der Figuren
      1. Marquise
      2. Mutter
      3. Vater
      4. Graf F.
    3. Bedeutung des Schlusses der Novelle
    4. Frage der Selbstbestimmung  – vor allem von Frauen
    5. Kennzeichen einer Novelle im Unterschied zu Kurzgeschichte und Roman
    6. Frage des Dingsymbols? (Schwangerschaft/Kind und/oder Engel-Teufel)
    7. Intentionalität (Die Novelle zeigt …)
    8. Das Besondere der „Erzählkunst“ Kleists in der Novelle
    9. Modernität der Novelle
    10. Kleist und sein Standort in der deutschen Literaturgeschichte
    11. Die Rezepsion der Novelle, d.h.: Wie wurde sie von den Zeitgenossen und dann auch später aufgenommen?
Die Seitenangaben beziehen sich auf das E-Book:

„Die Marquise von O.: Reclam XL – Text und Kontext“ von Heinrich von Kleist, Wolfgang Pütz

ISBN des E-Books: 978-3-15-960276-9

ISBN der Buchausgabe:  978-3-15-019127-9

 

1.    Allgemeines zum Werk

  • 1.1. Entstehungszeit des Werkes:
  • 1808/1810
  • Wichtig ist hier, nicht einfach nur diese Jahreszahl zu nennen, sondern sie auch in einen Kontext einzuordnen:
    https://schnell-durchblicken.de/die-marquise-von-o-entstehung-und-historisches-umfeld
  • 1.2. Besonderheit von Novellen:
  • Kurze Erzählung, länger als eine Kurzgeschichte
  • Darstellung bzw. Durchspielen eines besonderen Falles (Goethe: „Unerhörte Begebenheit“, gemeint ist damit eine noch nicht gehörte, also neue Begebenheit, vgl. Novelle, was ja von „novus“ = neu kommt und auch als Bezeichnung für die Neufassung eines Gesetzes verwendet wird
  • Ähnlichkeit mit dem Drama: Konflikt
  • Häufig ein Dingsymbol
  • Was den Vergleich mit einem Drama angeht, so kann man sowohl den Vergewaltigungskonflikt wie auch den Schwangerschaftskonflikt in 5 „Akte“ gliedern. Siehe dazu:
    https://textaussage.de/marquise-kleine-schwester-des-dramas-abitur-muendlich
  • 3. Thema des Werkes
    • Umgang mit einem besonderen Fall von Vergewaltigung, in der der Retter zum Vergewaltiger wird und dann versucht, durch Heirat alles wieder gutzumachen, in dem Zusammenhang auch die Frage der Autonomie von Frauen
    • Eine genauere Herleitung verschiedener Themenformulierungen (dazu auch Vorschläge für die schnelle Zusammenfassung des Inhalts) findet sich auf der Seite:
      https://textaussage.de/kleist-novelle-marquise-inhalt-thema
  • 4. Funktion und Bedeutung der Abkürzungen, wie sie schon im Titel auftauchen
    • Scheinbarer Schutz von Personen und Orten
    • Damit Eindruck von Authenzität, Frage der Auswirkung auf die Fiktionalität
  • 5. Historischer Ort der Handlung
    • Einer der Kriege der napoleonischen Zeit, in der sich Russen und Österreicher gegenüberstehen.
    • Oberitalien
  • 6. Aufnahme des Werkes (Rezeption)
    • Zensur zum einen wegen des Themas Vergewaltigung einer adligen Frau
    • Dann wegen der Täterschaft eines Adligen
    • Aber auch wegen der familiären Konflikte, bei der der Vater als Oberhaupt phasenweise nicht besonders gut wegkommt

·       2.    Inhalt / Handlung

  • 1. Unterschied zwischen Inhalt und Handlung
  • Inhalt umfasst alles, auch mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen oder Kommentare
  • Handlung dagegen umfasst wirklich Aktivitäten (oder auch mal Nicht-Aktivitäten), die zum Beispiel einen Konflikt in einem Drama oder auch in einer Novelle voranbringen.
  • 2. Erster Teil der Novelle. Bis zum ersten Heiratsantrag des Grafen F.
    • Besonderer Einstieg über eine Zeitungsannonce, in der die Marquise den Vater ihres Kindes sucht (Vorgriff auf späteren Handlungsschritt) (S3)
    • Kurzes Eingehen auf die Situation der Marquise zu Beginn der eigentlichen Geschichte: Witwe mit Kindern (S.3)
    • Dann Präsentation der Geschehnisse, die zu der Anzeige geführt haben: (S. 3ff)
    • Eroberung der Festung, deren Kommandant der Vater der Marquise ist (S. 3)
    • Gefahr der Vergewaltigung durch russische Soldaten; „Rettung“ durch einen Offizier, den Grafen F. (S. 3/4); Hinrichtung der betroffenen Soldaten (S. 6/7)
    • Die aus der Ohnmacht erwachte Marquise erfährt, dass Graf F. schon abreisen musste. (S. 7)
    • Angeblich soll er kurz darauf den Tod gefunden haben, er erscheint aber nach einiger Zeit ganz überraschend und will die Marquise auch möglichst schnell heiraten. (S. 9ff)
    • Von der Bereitschaft, seine militärischen Pflichten, die ihn nach Neapel führen würden, zu vernachlässigen, kann der Graf nur abgehalten werden, indem ihm zugesichert wird, dass die Marquise während seiner Abwesenheit keine andere Verbindung eingeht.
  • 3. Zweiter Teil der Novelle: Schwangerschaftsskandal während der Abwesenheit des Grafen
    • Nur sehr zögernd gesteht sich die Marquise ein, dass ihre gesundheitlichen Probleme Ausdruck einer Schwangerschaft sind.
    • Von ihrem Vater wird sie aus dem Haus geworfen.
    • Sie wählt dann den Weg der Anzeige – siehe den Vorgriff am Anfang der Novelle
  • 4 Dritter Teil der Novelle: Entwicklung nach der Rückkehr des Grafen
    • Sein erneuter Heiratsantrag wird durch die Marquise zurückgewiesen
    • Erscheinen einer zweiten Annonce, in der der noch anonyme Vater sein Erscheinen an einem bestimmten Tag ankündigt
    • Mutter nutzt das, um ihrer Tochter einen Angestellten als angeblichen Vater zu präsentieren; die Reaktion der Tochter (ist entsetzt) zeigt, dass sie nicht weiß, wer der wirkliche Vater ist
    • Mutter und dann auch Vater entschuldigen sich bei der Tochter und nehmen sie wieder auf
  • 5 Vierter Teil der Novelle: Das Geständnis des Grafen und die eingeschränkte Heirat
  • Am besagten Tag überrascht der Graf die Familie mit seinem Bekenntnis
  • Die Eltern sehen die Vorteile einer Vermählung, die Tochter ist strikt dagegen
  • Lässt sich dann aber auf eine eingeschränkte Heirat ein (alle Pflichten, keine Rechte)
  • 6 Fünfter Teil der Novelle: Langsame Annäherung, normale Ehe und Klärung des Verhaltens der Marquise nach dem Bekenntnis des Grafen
    • Graf wohl in der Nachbarschaft, darf wegen guten Verhaltens bei der Taufe des Kindes dabei sein; Schenkung und Erbschaft
    • Zunehmende Annäherung und schließlich normale Eheführung
    • Jahre später: Erklärung der Zurückweisung des Grafen durch die Marquise am Tag seines Bekenntnisses: Vom Engel zum Teufel – und dann wieder Rehabilitation

3.    Thematische Aspekte

3.1. Figurenkonstellation
    • Wir systematisieren diese Frage über ein Ranking:
    • Die Marquise steht natürlich im Vordergrund – und auch im Mittelpunkt der Novelle. Immerhin taucht sie ja auch im Titel auf – und der Graf verschwindet ja aus dem Gesichtskreis, sobald er mit der Familie nichts mehr zu tun hat.
    • Der Graf ist die zweitwichtigste Figur und auf schicksalhafte Weise durch seine Untat und ihre Folgen, aber auch die seltsame Liebe zur Marquise an sie gebunden und auf sie bezogen.
    • Die drittwichtigste Figur ist sicher die Mutter. Sie spielt anfangs zum Teil (Wunsch der Wiederverheiratung der Tochter, dann im Rahmen des „Schwangerschaftstests“) eine Rolle, später ist sie dann entscheidend für die Wiederversöhnung der Familie.
    • Der Vater ist zum einen der Vertreter der harten Linie gegenüber der Tochter, kippt dann aber ins Gegenteil, indem er sich wie ein Liebhaber an seine Tochter ranmacht.
    • Der Bruder und Forstmeister unterstützt zum Teil den harten Kurs des Vaters und spielt zum Teil auch eine vermittelnde Rolle, etwa wenn er dem Grafen die neuste Entwicklung mitteilt
    • Die Kinder der Marquise sind nur Objekt ihrer pädagogischen Bemühungen und ihrer Fürsorge, spielen ansonsten aber überhaupt keine Rolle (Statisten).
    • Der Befehlshaber der russischen Truppen spielt auch noch eine Rolle, aber nur als Repräsentant des „ordentlichen“ Militärs, während der Graf ja gleich am Anfang „unordentlich“ ist und auch später seine Rolle als Offizier deutlich zurückstellt.
    • Arzt und Hebamme haben die Funktion, den Schwangerschaftskonflikt voranzutreiben.
    • Insgesamt eine deutliche Konzentration auf die Marquise und den Grafen sowie die Mutter und den Vater.
3.2 Charakterisierung der Figuren
3.2.1. Marquise
      • Hochangesehene adlige Witwe
      • Zwischen Anpassung und später Widerstand bzw. Bemühen um Autonomie
      • Wächst über sich hinaus, entwickelt ein eigenes Lebenskonzept, in das sie den Grafen F. erst nach seiner Bewährung aufnimmt
      • Vorher allerdings eine Künstlerin der Verdrängung bis hin zur Frage, ob sie nicht bei der „Vergewaltigung“ zumindest „mitgespielt“ hat
      • Ist einem Erkenntnisprozess ausgesetzt, was die Verfasstheit des Menschen und der Welt angeht
3.2.2. Mutter
      • Insgesamt vermittelnde Position – zunächst Teilnahme an der väterlichen Strenge, dann aber auf einen gütliche Regelung auss
      • Wobei sie sich mit ihrem Test sehr geschickt verhält
3.2.3.  Vater
      • Lebt in zwei Welten: Militär und Familie, die verhängnisvoll bei der Eroberung der Zitadelle zusammenfallen
      • Patriarchalisch denkend und hart gegenüber der Tochter, solange er sie für schuldig hält
      • Akzeptiert aber letztlich ihre Weigerung, die Kinder ihm zu überlassen
      • Insgesamt überspannt er den Bogen der Ablehnung der Tochter und muss dafür schließlich einen weiten und intensiven Weg zurückgehen
      • Bei der Versöhnung kommt es allerdings zu regelrechten Gefühlsexzessen
      • Anschließend zeigt er sich aber wieder als geschickter Regeler der Heiratsfrage
3.2.4. Graf F.
  • Verdienstvoller Offizier, der sich in einer kritischen Situation auf die Seite der bedrohten Frau stellt,
  • Sich dann aber selbst mehr oder weniger an ihr vergeht,
  • Dann aber auch versucht, das im Rahmen des Möglichen wieder gutzumachen und
  • Dabei bis an die Grenze der Selbstachtung und des totalen Risikos geht
3.2. Bedeutung des Schlusses der Novelle
  • Auf die Frage des Grafen, warum die Marquise ihn bei seinem Geständnis so zurückgewiesen hat
  • Er sei ihr anfangs wie ein Engel vorgekommen und dann wie ein Teufel (Fallhöhe)
3.3..    Inwieweit spielt die Frage der Selbstbestimmung – vor allem von Frauen – eine Rolle in der Novelle?
  • Beide Frauen beginnen angepasst, ja fast unterwürfig – bsd. die Mutter •    Dann aber nehmen sie das Heft des Handelns in die Hand, die Tochter, indem sie aus der Vertreibung aus dem elterlichen Haus eine Zuflucht macht und ein eigenes Lebenskonzept entwickelt •    Gegenüber dem reumütigen Grafen zunächst einmal hart bleibt •    Dann aber doch einlenkt •    Die Mutter anfangs besonders unterwürfig, hintergeht ihren Mann und findet eine gute Lösung, die zur Versöhnung der Familie führt.
3.4..    Kennzeichen einer Novelle im Unterschied zu Kurzgeschichte und Roman

Auf einen wesentlichen Punkt konzentrierte Geschichte: „unerhörte Begebenheit“

Die straff durcherzählt wird – mit Ähnlichkeit zum Drama

Zum Teil Dingsymbol

Vergleich mit dem Drama: Man kann sowohl den Vergewaltigungskonflikt wie auch den Schwangerschaftskonflikt in fünf „Akte“ gliedern. Siehe dazu die folgende Seite:

3.5.    Frage des Dingsymbols? (Schwangerschaft/Kind und/oder Engel-Teufel)
  • Schwangerschaft, weil sie das Geschehen ständig begleitet: Von der Vergewaltigung bis zur In-die-Welt-Setzung junger Russen
  • Die Einsicht in die Mehrfachnatur der Menschen ist schmerzlich und wird in dem Gegensatz gut ausgedrückt
3.6..    Intentionalität: Die Novelle zeigt …
  • Die Brüchigkeit der Welt und des Menschen– bsd. im Verhalten des Grafen
  • Die Auflösung alter patriarchalischer Gesellschaftsnormen
  • Die Möglichkeit individueller Lösungen mit Happy Ends

3.7.    Das Besondere der „Erzählkunst“ Kleists in dieser Novelle

  • Dramatischer, spannungsgeladener Erzählstil
  • Häufigkeit von Zeitadverbien wie „nachdem“, „plötzlich“
  • Verzicht auf ausführliche Beschreibungen
  • Trick mit dem Gedankenstrich, bevor der Graf den Arzt rufen lässt
  • Lange, verschachtelte Sätze
  • Meistens indirekte Rede
  • Besondere Bedeutung der Körpersprache
  • Weitgehende Beschränkung des Erzählers auf Berichterstattung
  • Trick der scheinbaren Nicht-Fiktionalität
  • Kein auktorialer Erzähler, sondern einer, der mit den Figuren in der Situation steckt:
    • Unterscheidung zwischen „atmosphärischen“ Wertungen: „in einer verwirrten Rede“: Hier wird etwas gesagt, was alle empfinden könnten, die dabei gewesen sind, aber nur der Erzähler kann es weitergeben, deshalb ist er hier scheinbar kommentierend, in Wirklichkeit nur „illustrierend“.
    • Anders „schöne Anstrengung“: Hier bringt der Erzähler seine Meinung ein. Wertungen erfolgen in der Regel in der Perspektive der Figuren
3.8..    Modernität der Novelle
  • „Gebrechlichkeit der Welt“
  • Verzicht auf auktorialen Erzähler
  • Kunst nicht wie in der Klassik Medium der Welterkenntnis und der persönlichen Bildung
  • Leser muss sich selbst ein Urteil bilden, Erzählungen = „provokante Experimente“

 

3.9. Kleist und sein Standort in der deutschen Literaturgeschichte
  • steht etwas außerhalb der Abfolge: Sturm und Drang – Klassik – Romantik – Vormärz, aber es gibt enge Bezüge zur Romantik, die Rüdiger Safranski in seinem Buch über die Romantik besonders herausgearbeitet hat
    https://textaussage.de/safranski-romantik-eine-deutsche-affaere-auswertung
  • Hier einige Anmerkungen zu einzelnen Seiten:
    • 187: Hass auf Napoleon
    • 188ff: „Als einer der größten Hasser zeigt sich Heinrich von Kleist“ …
    • 190: Kleists Tötungsfantasien
    • 191/192: Versuch einer psychologischen Erklärung: „Heinrich von Kleist ging an dieser Ungeliebtheit zu Grunde“ (Nietzsche).177: Die Idee der Kulturnation – noch ohne Abgrenzung gegenüber anderen Nationen – bei Fichte wird das dann anders.
    • Die Novelle „Michael Kohlhaas“ beginnt sehr realistisch mit gesellschaftskritischen Momenten und endet dann im Stil der Romantik

3.10. Die Rezeption der Novelle, d.h.: Wie wurde sie von den Zeitgenossen und dann auch später aufgenommen?

Weiterführende Hinweise