Vergleich: Lessing, „Eine Parabel“ und „Ringparabel“ (Mat2272)

Vergleich von zwei Texten – wie geht das?

Wir zeigen das mal an Lessings „Palastparabel“ im Vergleich mit der „Ringparabel“ aus „Nathan der Weise“

Wir gehen mal davon aus:

  • Im Unterricht ist “Nathan der Weise” mit samt der Ringparabel besprochen worden.
  • Und jetzt stößt man auf einen nicht so bekannten Text von Lessing, der “Eine Parabel” heißt
  • und der viel Ähnlichkeit mit der “Ringparabel” hat,
  • zumindest in der gleichen Situation entstanden ist, nämlich dem Streit Lessings mit dem Hauptpastor Goeze (sogenannter “Fragmentenstreit”)
  • Wir nutzen das mal, um zu zeigen, wie man zwei Texte zu einem ähnlichen Thema vergleichen kann.

Dazu noch der Hinweis:

Eine detaillierte Analyse der „Palastparabel“ findet sich hier:
https://schnell-durchblicken.de/lessing-eine-parabel


Das Video

Hierzu gibt es auf Youtube auch ein Video, in dem unser Ansatz kurz vorgestellt wird.

Videolink

https://youtu.be/SKth_hvrycM

Kurz-Info zum Video


  • Wenn man die Ringparabel aus dem Drama „Nathan der Weise“ kennt bzw. behandelt hat, dann ist es interessant, diese mit der sog. „Palastparabel“ zu vergleichen, die Lessing ein Jahr vorher an seinen orthodoxen Gegenspieler geschickt hat.
  • Damit lang ein klassischer Parabelfall vor: Lessing versucht, jemanden zu überzeugen, indem er ihm – ähnlich wie Nathan im Drama – eine Geschichte erzählt bzw. schreibt.
  • Allerdings war der historische Hauptpastor Goeze nicht bereit, die Wahrheit der ihm zugeschickten Parabel anzuerkennen, nämlich, dass es zwar ein Christentum gibt, aber viele Wege, sich ihm zu nähern.
  • Beim Vergleich mit der Ringparabel wird deutlich, dass beide etwas Gemeinsames haben: In beiden Fällen geht es um eine positive Realität, die höher steht als historische Unterschiede.
  • Der Unterschied besteht zum einen darin, dass Nathan dem Sultan ja die potenzielle Gleichwertigkeit der drei großen Religionen Judentum, Christentum, Islam deutlich macht. In der Palastparabel geht es eher um verschiedene christliche Konfessionen oder theologische Anschauungen.
  • Dafür greift diese Parabel einen Hinweis des Sultans in „Nathan der Weise“ auf, der ja gegenüber Nathan fordert, die Wahrheit der Religion nicht abhängig zu machen vom „Zufall der Geburt“ (ca. 1846). Und etwas später erweitert der Sultan das noch: „Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? / Geschrieben oder überliefert!“ (ca. 1974) Das entspricht natürlich genau dem, was in der Palastparabel mit den verschiedenen überlieferten Grundrissen als religiöser Spaltpilz präsentiert wird.
  • Wichtig ist natürlich auch, dass die Palastparabel sich ausnahmsweise am besten aus dem historischen und situativen Kontext heraus erklären lässt. Aber zu literarischen Texten gehört immer eine Reichweite, die den Entstehungskontext und die damit verbundene Absicht übersteigt. So kann man die Palastparabel sicher auf viele andere subjektiven, ideologischen oder auch politischen Steitfälle übertragen. Lessings Palastparabel mahnt, über dem ggf. persönlich oder historisch fundierten Streit nicht das größere und vor allem den Menschen dienlichere Ganze zu vergessen.





Vergleichspunkte: “Palastparabel”

  • Palast
  • “Dauer”, “Bequemlichkeit”, “so viel Licht”
  • “die gütigste Weisheit” – “nichts als Schönheit und Ordnung und Wohlstand auf das ganze Land verbreitet.”
  • Seltsame Architektur, gegen alle Regeln, gefällt durch “Dauer und Bequemlichkeit”
  • “von außen ein wenig unverständlich; von innen überall Licht und Zusammenhang.”
  • “durch die Außenseiten beleidiget”, viele kleine, unterschiedliche Fenster und ebenso viele “Türen und Tore von mancherlei Form und Größe”
  • Dauerstreit zwischen den Vertretern des Inneren, des wahren Wertes des Palastes (s.o.) und
  • den Inhabern alter Baupläne, die sie z.T. nicht mehr richtig verstehen -> Erklärungen “nach eignem Gefallen”
  • Dann die Krise = Feuer scheint den Palast zu gefährden
  • Die Bauplan-Inhaber kümmern sich nur um ihre Baupläne, wollen mit ihnen den Palast retten.
  • Hätte zum Untergang führen können, war aber nur ein Nordlicht
  • Aussage: Es kommt auf den eigentlichen Wert, die Wirkung des Palastes an, alles andere sind individuelle Randfragen

Vergleichspunkte: “Ringparabel” In Nathan, III,7

  • Ring
  • “von unschätzbarem Wert”, hat “die geheime Kraft, vor Gott / Und Menschen angenehm zu machen”
  • Streit entsteht erst, als die Söhne mehr als einen Ring vorfinden und jeder um seinen kämpft.
  • Der Richter erinnert sie an das eigentliche Kennzeichen des echten Ringes
  • wogegen sie in ihrem Streit verstoßen
  • und ermahnt sie
  • “Es strebe von euch jeder um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring‘ an Tag / Zu legen! [… ]mit Wohltun”
  • Aussage: Es geht um die gute Wirkung des Rings, nicht um seine Entstehungs-Echtheit

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Das Wichtigste auf einen Blick:
  1. “Eine Parabel” ist gezielt von Lessing geschrieben worden, um seinen orthodoxen Gegner zu einer Erkenntnis zu führen, auf die man sich einigen kann
  2. Nämlich:Es gibt eine Kern-Religion, in diesem Streitfall das Christentum.Das ist unendlich groß, dauerhaft und wohltuend.
  3. Daneben gibt es die vielen menschlichen, individuellen Zugänge zu dieser großen Religion.
  4. Die sollten ihrer “Bequemlichkeit” folgen,aber nicht streiten,vor allem nicht dann, wenn das Große, Ganze der Religion in Gefahr zu sein scheint.—
  5. Die Ringparabel ist Teil eines Dramas, das aber bewusst von Lessing als “fiktiver” Streitbeitrag auf seiner eigentlichen Bühne, dem Theater, gedacht war.
  6. Also ein Drama mit einer klaren Aussage und Absicht,nämlich den Vertretern der drei großen Religionen (in historischer Reihenfolge) Judentum, Christentum, Islam klar zu machen, dass es auf die gute Wirkung des Glaubens ankommt, nicht auf seine Echtheit.
  7. Eine sehr pragmatische Sicht des Aufklärers, die echten Gläubigen auch nicht reichen kann, wenn für sie “Glaube” eben eine übernatürliche Wahrheit bedeutet und nicht nur Wohlverhalten.
  8. Fazit: Die Ringparabel geht weiter, weil sie alle Religionen einbezieht, sie ist gleich, indem sie auf “Wohltun” im weitesten Sinne abzielt.
  9. Die “Palastparabel” geht weiter, weil sie erklärt, dass es unterschiedliche Zugänge zur zu einer Religion geben darf und muss – bezieht sich auf Konfessionen, kann aber auch auf Religionen übertragen werden.

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