Worum es hier geht:
- Liebe ist etwas Wunderschönes.
- Was aber, wenn man an ihr Ende denkt, eine mögliche Trennung?
- Das Gedicht, das wir hier hier gefunden haben, setzt sich auf eine sehr eigene Art und Weise mit diesem Gedanken – oder sagen wir lieber: Angst auseinander.
Das Bild, das wir ChatGPT für uns haben zeichnen lassen, versteht man am besten, wenn man das Gedicht verstanden hat. Damit legen wir jetzt los.
Inzwischen gibt es auch ein Video zu diesem Gedicht.
Hier schon mal die Dokumentation:
Mat2009-ktr HP unbem Kalckreuth Trennung
Direkte Sprungmöglichkeiten zum Video-Clip
00:00 Einführung: Thema Trennung und Vorstellung des Gedichts 00:41 Hintergrund zum Autor Wolf Graf von Kalckreuth 01:00 Metrum-Analyse: fünfhebiger Jambus erklärt 01:50 Einführung in die Statement-Methode 02:30 Erste Strophe: Trennung und Zukunftsprognose 03:30 Zweite Strophe: innere Widersprüche und Hoffnungssymbole 04:45 Dritte Strophe: Mut, Soldatenmetapher und Vergessenheit 06:00 Symbolik: Fels, Wellen und Selbstbetäubung 06:50 Abschluss des Gedichts: Lebensmotto und Interpretation 08:00 Kritik: Fehlende Gründe und mangelnde Einbeziehung des Partners 09:00 Self-Fulfilling Prophecy: psychologische Betrachtung 10:20 Weiterführende Links und Hinweise für Schüler*innen 10:55 Schlusswort und Community-Aufruf
Zu unserer Methode, ein Gedicht möglichst sicher zu verstehen;
- Wir gehen Zeile für Zeile vor – und bauen dabei fortlaufend ein Verständnis auf.
- Das muss aber ständig kontrolliert werden – sowohl mit Blick auf das, was schon gesagt worden ist (einschließlich der Überschrift des Gedichtes) – als auch mit Einbeziehung dessen, was man dann noch liest.
- Für Interessierte: Das ist eine Kombination von induktivem und hermeneutischem Vorgehen:
- „induktiv“ heißt: von unten, vom Text aus, nicht von einer schnell gefassten Vermutung.
- „hermeneutisch“ hängt mit dem Götterboten der alten Griechen zusammen. Gemeint ist damit, dass ständig Botschaften ausgetauscht werden zwischen dem Gedicht und dem Verständnis des Lesers.
- Wir präsentieren hier die Strophen in Kursivschrift
- und danach unseren Verständnisaufbau.
Strophe 1
Wann einst die Stunde kommt, da wir uns trennen,
So laß uns ungebeugt den Kampf bestehn.
Bald sterben in der Zeiten eis’gem Wehn
Die Herzen, die in bittrer Sehnsucht brennen.
- Die erste Strophe beginnt mit der Erwartung, was passieren wird oder wie man damit umgehen soll, wenn irgendwann in der Zukunft eine Trennung erfolgt.
- Beim Leser ergibt sich die Erwartung, dass das lyrische Ich sich hier wohl von einem wichtigen Menschen wird trennen müssen.
- Im nächsten Schritt wird dann deutlich, dass mit dieser Trennung Kampf verbunden sein wird.
- Ziel ist es, diesen Kampf ungebeugt zu bestehen, sich also von ihm nicht unterdrücken zu lassen.
- Es folgt dann das, was man hier eigentlich auch erwarten muss, nämlich das Grundmotiv, das überhaupt eine solche heldenhafte Haltung ermöglicht.
- Das lyrische Ich tröstet sich und möglicherweise auch seinen Ansprechpartner, dass in einem solchen Fall eine Art Vereisung eintritt, die zum Tod der anfangs brennenden Gefühle führt.
Strophe 2
Wer mag die Keime schauen und erkennen,
Die im zerstörten Busen untergehn?
Wer mag dem letzten Sturm entgegensehn?
Ich fühl ihn nicht! Ich wag ihn nicht zu nennen!
- Die zweite Strophe schaut dann doch noch etwas genauer auf diesen Trennungsvorgang.
- Es ist nämlich die Rede von Keimen, die in diesem Prozess auch untergehen.
- Das ist natürlich eine Relativierung, eine Einschränkung der ersten Vorstellung: Mit der Trennung sterben nicht einfach die Liebesgefühle, sondern es geht auch das unter, was noch hätte sich entwickeln können (Keime).
- Neben dieser ersten Relativierung der scheinbaren Leichtigkeitsthese im Hinblick auf die Trennung folgt noch eine zweite.
- Es ist nämlich von einem letzten Sturm die Rede, an den das lyrische Ich möglichst nicht denken will.
- Als Zwischenstand kann man die Hypothese äußern,
- dass in diesem Gedicht eine Trennung befürchtet wird oder sogar bevorsteht.
- Das lyrische Ich will damit einigermaßen heldenhaft umgehen.
- Dabei tröstet es sich allerdings auf eine Art und Weise, die dann im Bewusstsein gewissermaßen eine zweite Ebene hat, die die scheinbare Lösung zumindest teilweise infrage stellt.
Strophe 3
Ich bin Soldat im Herzen, und ich werde
Es wahrhaft sein, trotz Trübsal und Gefährde,
Wann sich der Schatten künft’ger Dinge naht.
- Jetzt kommt ein weiterer Bewältigungsversuch.
- Das lyrische Ich versetzt sich in die Situation eines Soldaten, für den Trübsal und Gefahren etwas ganz Normales sind.
- Als Leser kann man kritisch die Frage stellen, warum es nicht direkt mit dieser heldenhaften Haltung beginnt.
- Oder aber: Vielleicht ist dieses Gedicht ja auch bereits Teil des Kampfes.
- Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der aktuelle Kampf sich nicht auf die Realität selbst bezieht, die eines Tages kommen wird, sondern auf die Vorahnung dessen, was negativ eines Tages kommen könnte.
- Damit erweitert sich die Deutungshypothese um den Aspekt nicht nur eines Gefahrenbewusstseins im Hinblick auf die Zukunft, sondern auch bereits einer gegenwärtigen Realität.
Strophe 4
Der Fels in all den Wellen, die zerstäuben,
Vergessenheit, Errettung, Sieg, Betäuben –
Die Krone unsres Lebens ist die Tat.
- Am Ende folgt eine Art Zusammenfassung,
- in der das Bild eines Felsens verwendet wird.
- Dies ist gewissermaßen der Inbegriff des Versuchs des lyrischen Ichs, für sich eine Lösung zu finden.
- Wie heterogen und fragwürdig diese Lösung ist,
- zeigt sich an der Aneinanderreihung von vier Begriffen, die sehr unterschiedlich sind.
- Am Ende rettet sich das lyrische Ich dann in den Begriff der Tat – was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, bleibt in seiner Situation offen.
Gesamteinschätzung
- Insgesamt handelt es sich um ein Gedicht, das auf sehr eigene, aber auch anregende Art und Weise versucht, sich mit der Angst vor der Trennung von einem geliebten Menschen auseinanderzusetzen.
- Das eigentlich Spannende an diesem Gedicht ist zunächst einmal, dass es um das harte Phänomen der Trennung geht.
- Bereits sehr früh merkt man aber, dass diese noch nicht aktuell ist. Und dann verstärkt sich immer mehr der Eindruck, dass es hier nur um die Möglichkeit einer Trennung geht, auf die sich das lyrische Ich vorbereiten will.
— - Ob so etwas geschickt ist – wie im Mittelalter ständig an den Tod zu denken – muss jeder für sich selbst entscheiden.
- Insgesamt aber kann man dieses Gedicht als eine besondere Art von Liebeserklärung verstehen.
- Und man kann jedem, der diesen Weg geht, nur wünschen, dass das mit der Tat am Ende dazu führt, dass die Gefahr gar nicht eintritt.
Nachtrag:
Als wir die weiteren Materialien hier durchsahen, hat uns das Gedicht von Ulla Hahn sehr nachdenklich gemacht. Enthält das Gedicht „Trennung“ von Kalckreuth nicht vielleicht doch weniger Liebe als eine besondere Art von Besitzdenken? Denn das angeblich so wertvolle Gegenüber wird ja gar nicht wirklich einbezogen 🙁
Zur Form des Gedichtes
- Es ist ein Sonett – also ein Gedicht, das aus zwei vierzeiligen Strophen (Quartetten) und zwei dreizeiligen (Terzetten) besteht.
- Die ersten beiden Strophen beschreiben meist eine Situation, die Terzette ziehen dann die Konsequenz daraus.
- Auch hier gibt es einen Unterschied zwischen den Strophengruppen.
- Die ersten beiden beschreiben eher das Negative, die Angst.
- Die Strophen 3 und 4 zeigen dann den Versuch der Selbstrettung in eine Art Soldatentapferkeit. Die war zwar vor dem Ersten Weltkrieg vor allem in Deutschland etwas, das hoch angesehen war. Aber ob die auch beim Verlust einer Beziehung hilft – das ist doch sehr fraglich. Vor allem dann, wenn man auch vor der Trennung schon immer die Kombination von realer Angst und scheinbarer Tapferkeit herausgestrichen hat.
- Versmaß/Rhythmus: 5 hebiger Jambus
- identische umarmende Reime in den Quartetten. (abba)
- Terzette: ccd ffd
Weitere Materialien zum Thema
- Unsere Sammlung von Liebesgedichten
https://textaussage.de/sammlung-von-liebesgedichten
— - Florian Günther, „Das Ende einer großen Liebe“ – Interpretation und kreative Anregungen
Gezeigt wird, wie eine große Liebe auch an Kleinigkeiten scheitern kann. Analyse des Textes, sprachliche Mittel und kreative Anregungen
https://schnell-durchblicken.de/florian-guenther-das-ende-einer-grossen-liebe-interpretation-und-kreative-anregungen
— - Dunja Voos„Hassliebe – Liebe und Hass“
Vorstellung eines interessanten Artikels zu einem Spezialaspekt:
https://textaussage.de/dunja-voss-hassliebe
- Die Gefahr, der völligen Auflösung der eigenen Persönlichkeit bis zum demütigenden Untergang:
Ulla Hahn, „Mit Haut und Haar“- die größte Gefahr bei einer Liebesbeziehung
https://schnell-durchblicken.de/ulla-hahn-mit-haut-und-haar - Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
— - Übersicht über unsere Youtube-Videos
http://schnell-durchblicken.de/videos-uebersicht
—