Interpretation der Kurzgeschichte „Zuerst den Linken“ von Selim Özdogan (Mat2858-int)

Interpretation der Kurzgeschichte „Zuerst den Linken“

Auf der Seite
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haben wir gezeigt, wie man eine Inhaltsangabe zu der Geschichte verfassen kann.

Auf die Analyse der Kommunikation gehen wir auf dieser Seite ein:
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I. Beschreibung der Erzählschritte

Die Geschichte, „Zuerst den Linken“, entwickelt sich durch eine klare Kette von Ereignissen, die den Weg von anfänglicher Verunsicherung bis hin zur massiven Störung des Erzählers skizzieren:

  1. Ausgangssituation und Einführung des Störfaktors:
    Der Erzähler beschreibt ein Geräusch (zwei kurz aufeinanderfolgende Poltergeräusche), das ihn nervt und seinen Schlaf stört. Er identifiziert die Ursache, indem er die Schritte seiner Nachbarin über ihm verfolgt: von der Tür zum Flur, dann zur Küche, und schließlich die Geräusche wieder im Flur – es sind die Schuhe, die sie dorthin wirft.
  2. Konfrontation und scheinbare Lösung:
    Der Erzähler spricht die Nachbarin im Treppenhaus direkt an und erklärt, dass das Geräusch ihn nachts weckt. Er ist besorgt, als „kleinlich“ oder „spießig“ zu gelten. Die Nachbarin reagiert verständnisvoll, entschuldigt sich und verspricht, das Geräusch abzustellen („Natürlich, kein Problem. Wenn ich das gewusst hätte ..“).
  3. Die Katastrophe der Teilerfüllung:
    Der Erzähler schläft entspannt ein, im Bewusstsein, dass er durchschlafen wird. Er wird jedoch durch das Geräusch eines Schuhs geweckt. Die Abwesenheit des erwarteten zweiten Polterns führt zu einer sofortigen und extremen internen Anspannung. Er wartet zwanghaft auf das zweite Geräusch, das ihm ermöglichen soll, weiterzuschlafen.
  4. Eskalation der inneren Wut:
    Da die Stille anhält, steigert sich die Frustration des Erzählers. Das Ausbleiben des zweiten Geräuschs führt dazu, dass er eine Viertelstunde wach liegt und sich so stark über die Nachbarin aufregt, dass er weitere zwei Stunden benötigt, um wieder einzuschlafen. Er beschimpft sie innerlich und interpretiert ihr Verhalten als vorsätzlichen Bruch des Versprechens.
  5. Auflösung durch Aufklärung:
    Die Nachbarin klärt das Missverständnis am nächsten Tag auf. Sie fragt, ob er wach wurde, und erklärt, dass sie den linken Schuh „aus Gewohnheit“ geschleudert hatte, sich dann erinnerte und den rechten Schuh „ganz leise danebengelegt“ hat.

 

II. Die Aussagen der Geschichte

Die Geschichte zeigt oder macht deutlich, dass…

  • … menschliche Gewohnheiten eine große, fast zwanghafte Macht über das Wohlbefinden anderer ausüben können, selbst wenn sie unabsichtlich sind. Der Erzähler beschreibt das Geräusch als ungewohnt, aber auf die Nerven gehend, und später als so störend, dass es ihn aus dem Schlaf reißt.
  • … die Erwartung eines Musters im Sinne eines Vorurteils als Erwartung oft mächtiger ist als die ursprüngliche Störung. Die Unterbrechung der Gewohnheit – das Ausbleiben des zweiten Polterns – löst beim Erzähler eine weitaus stärkere psychologische Krise aus als die ursprüngliche Lärmbelästigung.
  • … gut gemeinte Kompromisse durch unterschiedliche Wahrnehmungen völlig missverstanden werden können. Die Nachbarin glaubte, der Bitte durch bewusstes leises Ablegen des zweiten Schuhs nachgekommen zu sein, während der Erzähler dies als böswillige Verhöhnung und Nichteinhaltung des Versprechens interpretiert („dumme Kuh, erst sagen, kein Problem, und sich dann einen Dreck scheren“).
  • … Subjektivität und Überreaktion dazu führen können, dass man sich selbst quält. Der Erzähler steigert sich in seiner Wut so sehr hinein, dass er, obwohl es still bleibt, weitere zwei Stunden benötigt, um sich zu beruhigen und einzuschlafen.

III. Sprachliche Mittel zur Unterstützung der Aussagen

Die zentralen Aussagen der Geschichte werden durch gezielte sprachliche Mittel gestützt, die die wachsende Obsession und das Missverständnis hervorheben:

  • Obsession und Regelmäßigkeit
    • Anapher und Akkumulation (Häufung)
    • „immer zwei, kurz nacheinander, manchmal dumpf, manchmal polternd, aber immer zwei und immer kurz nachdem sie nach Hause gekommen war“.
    • Betonung der quälenden Regelmäßigkeit des Geräuschs, die zur Fixierung des Erzählers führt.
  • Wachsender Konflikt
    • Hyperbel und innere Monologisierung
    • „Ich wartete auf das zweite Poltern, damit ich weiterschlafen konnte. Zwei, drei, vier Minuten der Stille. Jetzt schmeiß schon, dachte ich, jetzt mach, damit ich schlafen kann, dumme Kuh, erst sagen, kein Problem, und sich dann einen Dreck scheren“.
    • Veranschaulichung der Diskrepanz zwischen der geringfügigen Ursache und der extremen inneren Wut des Erzählers. Das Schimpfwort zeigt die Eskalation der Emotionen.
  • Psychische Qual durch Abwesenheit
    • Kontrast und Wiederholung
    • „Ich war entspannt eingeschlafen in dem Be-wusstsein, dass ich durchschlafen würde…“ vs. „Es blieb still, und ich blieb wach.“
    • Verdeutlicht die Ironie und die psychische Folter: Die gewünschte Stille wird zur Ursache der Schlaflosigkeit. Das Warten auf den Lärm wird zum Zwang: „Ich blieb noch eine Viertelstunde wach, in der ich auf das zweite Poltern wartete“.
  • Das Missverständnis
    • Detaillierte adverbiale Bestimmung
    • „habe ich den rechten dann ganz leise danebengelegt.“.
    • Zeigt die unterschiedliche Wahrnehmung der Realität: Die Nachbarin handelte bewusst leise, während der Erzähler (der die Aktion nicht sah) dies als Nicht-Handlung und Provokation interpretierte.
  • Automatisierung der Gewohnheit
    • Nominalisierung der Ursache
    • „Ich hatte leider den linken Schuh so aus Gewohnheit schon in den Flur geschleudert“.
    • Erklärt, warum die Bitte des Erzählers nur halb umgesetzt wurde und unterstreicht, wie tief die automatisierte Handlung in der Nachbarin verankert war.

Analyse der Kommunikation in der Geschichte

 

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