Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Kap 7-9 – Analyse und Lektüretipps (Mat2786-7-9)

Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ – Analyse der Kapitel und Lektüretipps

  • 7: (EB67) Am Freitag wurden in Darmstadt
    • ·      Erster Perspektivenwechsel hin zu Margots Mutter, die in einem Brief sichtbar wird.
    • ·      Erstmals werden Luftangriffe angesprochen, daneben kommen aber auch ganz private Dinge zur Sprache,
    • ihre Sorge um die 16-jährige Bettina, die gute Schwester von Margot. Die arbeitet als Straßenbahnschaffnerin in Berlin und die Mutter sieht sie in der Gefahr, sich vorschnell einem Mann hinzu geben.
    • Das passt zu ihrer Kritik an der schnellen Heirat zwischen Margot und einem Soldaten in unsicheren Zeiten. Sie hätte Tochter und Enkelin lieber für sich.
    • Deutlich wird die Verbindung von der großen Bedrohung durch den Krieg und die Luftangriffe und den kleinen, ganz menschlichen Sorgen und Bedürfnissen.
    • Auch kann man sich fragen, ob diese Menschen mit ihren Erfahrungen der Bombenangriffe nicht auch eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln können:
      EB73: „Wir wir haben täglich, an manchen Tagen auch zweimal Alarm, fehlt nur, dass sie auch zum Frühstück kommen, das geht recht über die Nerven, und ich versuche, wenigstens nach außen hin ruhig zu sein. In jedem Quietschen der Gartentür, in jedem Weinen eines Säuglings hört man eine Sirene. Jedes Geräusch prüft man, ob es der Kuckuck ist.“

    8: (EB76 )Susi hat mich bei der Straßenbahn  (Briefe von Kurt an seine Freundin Nanni)

    • Nächster Perspektivenwechsel, jetzt noch krasser. Es geht nämlich um fünf Briefe, die Kurt an seine Freundin geschrieben hat und die nicht mal deutlich getrennt sind und auch keine Anrede enthalten.
    • Deutlich werden
    • die Sehnsucht des Jungen,
    • aber auch die Probleme einer Beziehung in diesen Zeiten. Seine Briefe an Nanni sind nämlich von der Lehrerin geöffnet, gelesen und an den Vater von Kurt weitergeleitet worden. Der hat nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn zu verprügeln und ihm die Einberufung zur Wehrmacht anzudrohen.
    • Der Bruder von Kurt ist insofern interessant, als er eine kritische Einstellung zum Krieg hat. Dazu kommt, dass Kurt seine Uniform nutzt, um das Problem mit der Altersgrenze bei Kinobesuchen zu umgehen.
    • Kommentar: Das ist wieder mal so ein netter origineller Einfall. Aber die Frage bleibt: Muss man das wissen?
    • EB79: Beispiel für einen sehr originellen Einfall:
      „Für Geld kann man sich sogar Tigermilch kaufen.“
      Das wird nun als indisches Sprichwort präsentiert. Eine gute Gelegenheit, ein vergleichbar treffendes Sprichwort für unseren Kulturkreis zu erfinden 😉
    • Interessante Textstelle auf EB83:
      „Gestern hatten wir Geographie- und Geschichteschularbeit in einem. Mittendrin heulten die Sirenen, wir mussten in den Keller und dort die Schularbeit fortsetzen. Wir hörten, dass schwere Bomber über uns geflogen, und aus der Ferne Detonationen.“
      Die Textstelle kann sehr interessant sein, weil man sich als Schüler sehr gut in diese Situation versetzen kann. Man sitzt über einer Klausur – dann plötzlich Alarm – und dann mit allen Unterlagen ab in den Keller. Dort soll man weiterschreiben, während man zugleich Angst um sein Leben hat. So versteht man möglicherweise als Mensch von heute besser, was Menschen im Krieg erdulden müssen.

    9: (EB87ff ) Wie‘s mir geht?

    • Dritter Perspektivenwechsel, diesmal zu einem jüdischen Zahntechniker namens Oskar Meyer.
    • Er ist vielfältigen Schikanen ausgesetzt und kann Europa wegen der zunehmenden Einreisebeschränkungen vieler Länder nicht mehr verlassen.
    • Lektüretipp: Diskriminierung und Vertreibung einer jüdischen Familie
      Deutlich wird die Verzweiflung von Menschen, denen plötzlich ihr Zuhause genommen wird und die sich nun unter schwierigsten Bedingungen ein neues suchen müssen.
      Außerdem geht es um eine besondere Form von Enteignung, bei der man nur noch unter größten Schwierigkeiten für all das, was man nicht mitnehmen kann, noch etwas bekommt.
      Anregung: Situation und Verhalten des Direktors aus seiner Sicht in einem Gespräch abends zum Beispiel mit seiner Frau schildern.
    • EB87: „Wie’s mir geht“
      bis
    • EB87: „aber deutlich unter Wert“
    • Im Unterschied zu seiner Frau gibt er sich Hoffnungen hin, dass das Wüten der Nationalsozialisten gegen die Juden mit ihrer sich vermindernder Zahl abnehmen werde.
    • Lektüretipp: Überlegungen zur Auswanderung:
    • von EB96: „längst außer Landes sein sollen“
      bis
    • EB 99 „nochmals auf Wiedersehen.
    • Es gelingt dann, Österreich mithilfe eines Fluchthelfers zumindest in Richtung Ungarn zu verlassen.
    • Wichtig ist die Verschärfung der Situation der Juden (Tragen eines gelben Sterns) nach dem Kriegseintritt der USA.
    • Kommentar: Der war nämlich in den Augen der Nazis ein Ergebnis jüdischen Einflusses, eine für die Juden in Hitlers Machtbereich verhängnisvolle Verschwörungstheorie.
    • Anmerkung: Zu prüfen wäre, ob es dem Verfasser gelungen ist, die verzweifelte Situation ausreisewilliger Juden wirkungsvoll darzustellen.
    • Man denke etwa an eine Dokumentation über das Auswandererschiff St. Louiscent Lewis, das im Juli 2021 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (als Wiederholung) ausgestrahlt wurde:
      https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/Die-Ungewollten-Die-Irrfahrt-der-St-Louis,sendung1106478.html
      beziehungsweise aktueller:
      https://www.arte.tv/de/videos/100373-000-A/die-ungewollten-die-irrfahrt-der-st-louis/
    • Man kann das in dem folgenden Buch auch nachlesen:
      Stefan Lipski u.a., Kapitän Schröder und die Irrfahrt der St. Louis
      zum Beispiel hier zu erhalten:
      https://www.amazon.de/Kapit%C3%A4n-Schr%C3%B6der-die-Irrfahrt-Louis/dp/3813209954
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