Top-Statement zur Frage: Inwieweit kann man „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck als Jahrhundertroman bezeichnen? (Mat8630-fue-zpa)

Worum es hier geht:

Auf der Seite

https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-figuren-und-historische-epochen

sind wir ausführlich darauf eingegangen, wie der Roman „Heimsuchung“ am Beispiel von Einzelschicksalen das Bild eines Jahrhunderts präsentiert.

Hier geht es darum, wie man entsprechende „Einsichten“ in einer Klausur oder in einer mündlichen Prüfung so präsentiert, dass es Zusatzpunkte gibt.

Zum Thema „Zusatzpunkte“
https://schnell-durchblicken.de/zusatzpunkte-in-klausuren-wie-erreicht-man-sie-fach-deutsch

 

Top-Statement zum Thema: „Heimsuchung als Jahrhundertroman“

Unter einem solchen Statement verstehen wir eins:

  • das einen klaren Rahmen setzt: Jahrhundertroman ja – aber nur in Einzelschicksalen,
  • eigene Akzente setzt: Natur/Gärtner
  • die Willkür des Schicksals hervorhebt – und es zugleich in dem großen Rahmen der Zeit relativiert.
  • Nachtrag: Wir haben inzwischen den Blick erweitert und würden sagen: Eigentlich ist es ein „kosmischer Roman“, der das Schicksal der Menschen zwar wahrnimmt, übrigens sehr distanziert, dann aber in einen großen geologischen Rahmen einordnet. Der beginnt im Prolog und endet im Epilog, wo die Natur wieder zu sich selbst kommt.
    Dazu haben wir ein Video gemacht und einen Essay präsentiert:

Wichtig ist, dass hier nicht nur Lehrbuchwissen wiedergegeben wird, sondern „beyond the books“ ein eigener Ansatz deutlich wird, der einen Überraschungseffekt mit sich bringt – und damit auch Zusatzpunkte.

Die rot markierten Teile stehen für eine knappere Version.

Mögliches Prüfungsstatement (10 Schritte):

  1. Einstieg/These:
    Heimsuchung umfasst gut hundert Jahre deutscher Geschichte. Der Roman ist damit auf den ersten Blick ein „Jahrhundertroman“. Allerdings geht es weniger um eine ausführliche Darstellung der Epochen. Sondern es geht um Fälle von „Heimsuchung“ – und sie sind mit den Figuren verbunden.

  2. Prolog – große Zeitdimensionen:
    Schon der Prolog spannt einen weiten Bogen: von der Eiszeit bis in die Gegenwart. Er macht klar, dass die menschlichen Geschichten nur ein kurzer Eingriff in viel größere Zeiträume sind. Damit relativiert Erpenbeck jede historische Größe und ordnet sie in die Natur ein. Das ändert aber nichts am jeweils empfundenen Schmerz.

  3. Der Gärtner – Zeitlosigkeit als Konstante:
    Der Gärtner stellt eine Art Bindeglied dar zwischen den gigantischen geologischen Zeiträumen und einer Art Dauerbegleitung der Einzelschicksale der Figuren. Er wirkt fast mythisch, zeitlos, und erinnert auf seine Weise daran, dass Natur und Landschaft über alle historischen Umbrüche hinaus Bestand haben.

  4. Der Großbauer Wurrach und seine Töchter – Kaiserzeit bis frühes 20. Jahrhundert:
    Hier zeigt sich patriarchale Ordnung und begrenzte Frauenrolle. Besitzdenken und soziale Strukturen verweisen auf das alte Dorfleben, das zugleich in die NS-Zeit hineinragt, wenn der Schulze sogar „Ortsbauernführer“ wird.

  5. Der Architekt – Übergang Weimarer Republik/Nationalsozialismus:
    Er baut das Haus am See, arrangiert sich mit der NS-Zeit, verschweigt dabei seine jüdischen Vorfahren und profitiert vom Verkauf jüdischen Eigentums. Damit verkörpert er Anpassung, Opportunismus und Mitläufertum – typische Verhaltensmuster jener Zeit. Allerdings wird er nach dem Krieg auch zum Opfer seines Eifers, als er sozialistischen Mangel bei einem Bauprojekt durch einen Einkauf im kapitalistischen Westberlin ausgleicht und es einem Beamten verdankt, der ihm den Tipp zur rechtzeitigen Flucht vor der Verhaftung gibt.

  6. Der Tuchfabrikant und seine Familie – Opfer des Nationalsozialismus:
    Im Kontrast dazu steht die jüdische Familie, die ihr Grundstück verliert und schließlich im Holocaust ermordet wird. Ihre Geschichte verankert das Geschehen direkt im Kern der Verbrechen des 20. Jahrhunderts. Besonders erschütternd das Schicksal des jungen Mädchens, das neben dem Verbrecherischen die Absurdität ihrer Ermordung deutlich macht. Alles, was sie gelernt und worum sie sich bemüht hat, wird in einem Moment ausgelöscht.

  7. Die Schriftstellerin und die Besucherin – Exil, DDR, Vertreibung:
    Die Schriftstellerin ist als Kommunistin fast auch Opfer des Terrors unter Stalin geworden. In der „kommunistischen“ DDR muss sie erleben, dass auch dort nicht alle Menschen gleich sind. Trotzdem versucht sie, durch ihr Schreiben aus aus der Zeit der Barbarei wieder herauszukommen. Außerdem versucht sie, die ganze Menschheit als neue Heimat zu empfinden.

  8. Der Rotarmist und die Frau des Architekten – Kriegsende und Besatzung:
    Hier wird ein Zeichen gegen die allgemeine Realität gesetzt, indem ein junger sowjetischer Offizier die Frau des Architekten, die er in einem Wandschrank entdeckt, nicht aus Rache für die deutschen Verbrechen an seiner Familie vergewaltigt, sondern mit ihr zusammen einen Moment von Liebe erlebt, der für für ihn neu ist und der Frau ewig im Gedächtnis bleibt.

  9. Unterpächter und „unberechtigte Eigenbesitzerin“ – DDR und Nachwendezeit:
    Der Unterpächter trägt die Narben der DDR (gescheiterter Fluchtversuch, Gefängnis, Arbeit in der Produktion), während eine „Eigenbesitzerin“ erleben muss, wie die Regelungen der Wendezeit ihr das geliebte Haus mit seinen Erinnerungen wegnehmenh.

  10. Schlussbewertung – „Jahrhundertroman“ in Einzelschicksalen:
    Betrachtet man alle Figuren, deckt der Roman tatsächlich ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte ab. Doch Erpenbeck interessiert weniger die „große Geschichte“ als ihre meist negativen Auswirkungen auf einzelne Menschen. .

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