Lösungshinweise zur Klausur zum Roman „Heimsuchung“ – der Gärtner und die Frage des Glücks (Mat8630-khg-loe)

Worum es hier geht:

Auf der Seite
https://schnell-durchblicken.de/klausur-zum-roman-heimsuchung-der-gaertner-und-die-frage-des-gluecks
haben wir eine Klausuraufgabe vorgestellt.

Hier nun Hinweise zur Lösung, die wir uns in der Basis von NotebookLM haben erstellen lassen. Wir werden sie hier aber noch in unserem Sinne erweitern – denn die KI kennt ja unseren Ansatz nicht: „Beyond the books“ – also über das hinaus, was überall schon in den Büchern steht.

Was man in der Lösung im Auge haben könnte:

1. Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Romans

  • Der Gärtner als Konstante: Die Figur des Gärtners ist eine zentrale, nahezu zeitlose Figur, die im Roman in verschiedenen Kapiteln (Kapitel 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 18, 20, 22) auftritt. Er wird im Dorf nur „Der Gärtner“ genannt, als hätte er sonst keinen Namen.
  • Historischer Rahmen: Die beschriebene Szene, in der der Gärtner Schilf schneidet und mit dem Dachdecker über Max Schmeling spricht, situiert sich im Kontext des Baus der ersten Ferienhäuser am Seeufer. Die Erwähnung des Sieges von Schmeling gegen Louis in der 12. Runde (1936) datiert die Szene in die späten 1930er Jahre.
  • Bezug zum Grundstück: Der Ausschnitt markiert den Beginn der Transformation des Landes der jüngsten Bauerntochter Klara Wurrach, deren Waldstück am Schäferberg in Parzellen aufgeteilt und an wohlhabende Städter (den Architekten und andere) verkauft wurde.
  • Rolle bei der Neugestaltung: In den folgenden Kapiteln übernimmt der Gärtner (zusammen mit dem Architekten) die Aufgabe, den Wald, der Klara Wurrach als Erbteil zugestanden hätte, in einen Garten zu verwandeln – also den Naturzustand in den Kulturzustand zu überführen.

2. Erzählerische Präsentation

  • Fokus auf Tätigkeit und Können: Der Gärtner wird primär über seine Arbeit definiert, in der er ungewöhnliches Geschick zeigt (z. B. beim Schilfschneiden). Seine Handhabung des Bretts ist so gekonnt, dass der Dachdecker seine mangelnde Erfahrung in der Schilfernte kaum
    glauben mag. Er führt körperlich schwere Arbeit (Halme ausschlagen) mit großer Kraft und Ausdauer aus, „ohne je zu ermüden“.
  • Schweigen und Isolation: Er ist extrem wortkarg; er spricht „wenig“ und äußert sich „überhaupt nie“ zu Ereignissen im Dorf, seien es lokale Tragödien (Ertrunkene) oder weltgeschichtliche Sensationen (Schmelings Sieg). Er meidet sozialen Austausch, indem er nur nickt und schweigt, selbst wenn der Dachdecker ihn beeindrucken will (Thorack).
  • Geheimnisvolle Existenz: Der Gärtner lebt allein in einer Jagdhütte, in die er niemanden einlässt. Die Hütte enthält nur das Nötigste: Tisch, Stuhl, Bett und Kleidung. Dies unterstreicht seine auf das Wesentliche reduzierte Existenz.

3. Aussagen und thematische Schwerpunkte

  • Naturverbundenheit und Distanz zur Zivilisation: Der Gärtner steht für eine authentische Verbundenheit mit der Natur. Er plaudert lieber mit dem Grünzeug, während er arbeitet. Im Gegensatz dazu steht der Dachdecker, der die äußere Welt (Radio, Prominenz) in das ländliche Idyll trägt.
  • Unwandelbarkeit und Konstanz: Seine Gleichgültigkeit gegenüber kurzlebigen menschlichen Ereignissen (Sieg Schmelings vs. versetzter Grenzstein vs. Ertrunkener) kontrastiert mit seiner tiefen Hingabe an die Naturzyklen und die damit verbundene Arbeit (Veredelung, Trockenlegung, Holzschlag).
  • Ambivalente Wahrnehmung: Die Dorfbewohner reagieren auf sein Schweigen gespalten: Manche halten ihn für „kalt“, seinen Blick für „fischig“ und vermuten „Wahnsinn“ hinter seiner Stirn. Andere sehen in der stillen Bewegung seiner Lippen den Beweis, dass er mit dem Grünzeug spricht.
  • Deutung der Leere: Die Parallelität zwischen dem Schweigen des Mannes und dem Schweigen seines leeren Hauses führt zu einer zentralen Ambivalenz: Das Schweigen verbirgt entweder ein Geheimnis oder es ist Ausdruck einer großen Leere.

4. Sprachliche und andere Mittel

  • Detaillierte Fachsprache: Die Beschreibung seiner Arbeit nutzt präzise Verben und Substantive, die seine Meisterschaft hervorheben (z. B. „Abschieben der Halme“, „Halme über dem linken Knie ausschlägt“, „sauberen Bündel legt er beiseite“). Dies verleiht seiner Tätigkeit Würde.
  • Eindringliche Vergleiche: Die gefrorenen Stängel springen „wie Glas“.
  • Akkumulation und Juxtaposition: Durch die Aufzählung disparater Ereignisse, zu denen er schweigt (lokales Unglück, Grenzstreit, Box-Sensation), werden diese Geschehnisse in ihrer Bedeutung relativiert.
  • Metaphorik des Schweigens: Die Übertragung der Eigenschaft des Schweigens auf das Haus („Auch das Haus schweigt also, wie sein Besitzer“) dient als Metapher für die innere Verfassung des Gärtners selbst.
  • Kontrastfiguren: Der gesprächige Dachdecker, der versucht, ihn zu beeindrucken, dient als direkter Kontrast zur Schweigsamkeit des Gärtners.

Stellungnahme zur These: Der Gärtner sei der einzige glückliche Mensch im Roman

Die These, der Gärtner sei der einzige glückliche Mensch im Roman, ist hochgradig diskutabel und muss im Kontext seiner tiefen Naturverbundenheit und des zentralen Zitats betrachtet werden.

Argumente für Glück/Zufriedenheit:

  • Erfüllung durch Arbeit: Der Gärtner findet tiefe Erfüllung in seiner beständigen, praktischen Arbeit, die stets gleich bleibt, unabhängig von politischen oder gesellschaftlichen Umbrüchen. Er ist eine Figur der Kontinuität und des Dienstes.
  • Unabhängigkeit von Materialismus: Er lebt in größter Einfachheit (Tisch, Stuhl, Bett) und scheint nicht an materiellem Besitz zu hängen. Er tauscht seine Erzeugnisse (Obst, Holz, Honig) gegen das Lebensnotwendige ein.
  • Innerer Fokus: Seine Konzentration auf die Natur und seine Distanz zur menschlichen Gesellschaft schützen ihn vor den Sorgen und dem Leid, die Figuren wie der Architekt, seine Frau oder die jüdische Familie (Tuchfabrikant) erleben.
  • Harmonie mit der Natur: Seine angebliche „Plauderei mit dem Grünzeug“ deutet auf eine innere Harmonie hin, die über die menschliche Kommunikation hinausgeht.
Widerlegung der These – Das Zitat als zentraler Einwand:

Das Zitat: „An irgendeinem Sommerabend in irgendeinem der letzten zwanzig Jahre erzählt ihr Mann einem der Gäste, wie am Ende des Krieges die Russen den Garten zur Pferdekoppel umfunktioniert hatten, wie alles zertrampelt war, wie er damals sogar den Gärtner hat weinen sehen.“ (S71).

  • Emotionale Verwundbarkeit: Die Beobachtung, dass der Gärtner weint, als die Russen den Garten verwüsten, widerlegt die Vorstellung einer völlig kalten oder übermenschlich glücklichen Figur.
  • Identifikation mit dem Garten: Sein Weinen zeigt, dass er den Garten nicht nur als Arbeitsfläche betrachtet, sondern seine eigene Identität und seinen Lebenssinn mit der Ordnung und Existenz dieses Kulturbereichs verknüpft. Die Zerstörung der Kultur (des Gartens) durch die Wildheit (die Pferdekoppel der Russen) ist für ihn ein existenzieller Verlust.
  • Leere statt Glück: Die erzählerische Ambivalenz am Ende des Ausschnitts legt nahe, dass sein Schweigen nicht Glück verbergen muss, sondern auch „sehr leer ist“. Die Leere kann ein Zustand der Kontemplation, aber auch ein Mangel an emotionaler oder sozialer Bindung sein.

Zusammenfassendes Fazit:

  • Der Gärtner ist zwar nicht glücklich im Sinne einer ausgelassenen, sorglosen Lebensfreude.
  • Er verkörpert jedoch eine erfüllte Existenz, die durch die tiefe Konzentration auf die unvergänglichen Zyklen der Natur und der Arbeit bestimmt wird.
  • Sein „Glück“ oder seine Zufriedenheit ist hart erarbeitet und resultiert aus der Ordnung, die er schafft und bewahrt.
  • Er weint, wenn diese Ordnung durch die menschliche Geschichte (den Krieg) zerstört wird, was ihn als eine menschliche Figur mit einer verwundbaren Seele zeigt, die an der Materie ihres Lebens (der Erde und den Pflanzen) hängt.
  • Er ist somit eher ein Weiser oder Dienstleistender, dessen Erfüllung in der Kontinuität liegt, nicht der glücklichste Mensch.
  • Wir würden noch hinzufügen: Glück kann man nur empfinden, wenn man sich seiner bewusst wird – das gibt es nicht in der Normalität, in der der Gärtner lebt und arbeitet. Man kann höchstens indirekt argumentieren, indem man auch das als Glück definiert, was diesen Gärtner auszeichnet. Dagegen kann man dann nichts sagen – denn eine allgemeine Glücksdefinition gibt es nicht.

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Infos, Tipps und Materialien zum Roman „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck
https://schnell-durchblicken.de/themenseite-heimsuchung

Themenseite – Teil 1: Infos, Tipps und Materialien zum Einstieg:
Dazu sind vor allem die Videos hilfreich, die wir auf dieser Seite präsentieren.
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-tipps-und-hilfen-zum-einstieg

Themenseite – Teil 2: Materialien zu den Figuren mit ihren Themen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-figuren-mit-ihren-themen

Themenseite – Teil 3: Materialien zu verschiedenen Aspekten der Interpration
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-aspekte-der-interpretation

Themenseite – Teil 4: Vorbereitung von Klausuren und Prüfungen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-vorbereitung-klausuren

Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos

Youtube-Playlist zum Roman „Heimsuchung“
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv3HeM299xejKEGxQIEM_eEY